Inselsommer
Jahren alles getan hat? Es wird nicht mehr lange dauern, und ich muss meine Galerie schließen, weil Kunst überwiegend online beworben und verkauft wird. Ich verteufle diese Entwicklung nicht grundsätzlich, weil sie auch Vorteile hat, aber ich gehöre zu denjenigen, die den direkten, persönlichen Kontakt dem virtuellen vorziehen.«
»Also sind wir wohl beide eher
old school,
wie Larissa sagen würde«, schmunzelte Bea, und ich musste ebenfalls lächeln.
Altersmäßig stand ich genau zwischen Larissa und ihrer Tante.
Zu alt, um noch hip zu sein, aber zu jung, um mich auf eine gemütliche Haltung wie die von Bea zurückziehen zu können.
37 . Kapitel
S oso, du hast also heute ein Date«, stellte Olli schmunzelnd fest, während wir Samstagmittag die Küche auf Vordermann brachten. Er musterte mich von Kopf bis Fuß.
»Gibt es etwas an meinem Aussehen auszusetzen?«, fragte ich, irritiert durch sein süffisantes Lächeln.
»Wann warst du zum letzten Mal beim Friseur?«, wollte Olli wissen. Reflexartig fuhr ich mir durch die Haare, deren Spitzen sich ein wenig trocken anfühlten.
»Die Länge ist doch in Ordnung, und ich habe auch keinen Spliss, oder etwa doch?« Anstelle einer Antwort nahm Olli sich einen Küchenstuhl, stellte sich darauf und betrachtete mich von oben.
»Wenn du dich beeilst, schaffst du es noch, deinen grauen Ansatz nachzufärben«, sagte er streng und sprang mit einem Satz vom Stuhl, woraufhin dieser umkippte. »Es sei denn, dieser Sönke geht dir nur bis zum Kinn. Oder du setzt eine Mütze auf.«
»So schlimm?«, fragte ich verwirrt. Warum hatte ich das denn nicht selbst bemerkt? Ich schaute doch jeden Tag in den Spiegel. Die Antwort war allerdings ganz einfach: In Hamburg hatte ich alle sechs Wochen einen feststehenden Termin bei meinem Lieblingsfriseur, der mich in Stresszeiten sogar höchstpersönlich daran erinnerte zu kommen. Hier war alles so entspannt, dass derartige Dinge schnell in den Hintergrund rückten. Dennoch blieb ich locker. Es war ja nicht meine Absicht, Sönke zu gefallen. Sollte er sich an meinen grauen Strähnen stören, so war das sein Problem.
»Und was hast du heute noch vor? Eine heiße Verabredung mit Fabian?«
Olli zog einen Flunsch.
»Leider nein. Er hat heute keine Zeit für mich, weil er sich mit irgendwelchen Leuten trifft, um etwas für den Surf-World-Cup zu besprechen, der alljährlich im September in Westerland stattfindet.
Er muss natürlich einiges organisieren, das musikalische Rahmenprogramm, den Online-Auftritt, die Eröffnungsfeier …« Die Enttäuschung war Olli deutlich anzumerken. Am liebsten hätte ich ihm angeboten, mit ins Samoa Seepferdchen zu kommen, aber das hätte Sönke bestimmt irritiert.
»Und was machst du dann?«
»Ich gehe vielleicht ins Kino«, seufzte Olli. »Oder ich haue mich im Zelt auf die Matte und lese meinen neuen Thriller weiter. Keine Ahnung, ich lass mich einfach treiben. Aber dir wünsche ich einen super Abend. Kann es kaum erwarten, zu hören, was du zu erzählen hast. Wird Zeit, dass du mal wieder einen
echten
Mann triffst, denn ich habe in dieser Richtung leider nicht allzu viel zu bieten.«
Gerührt gab ich Olli einen Kuss auf die Wange und ging nach vorne zu Larissa und Rieke, die gerade mit dem Tagesabschluss beschäftigt waren, um beiden ein schönes Wochenende zu wünschen. Larissas zufriedenem Gesichtsausdruck nach zu urteilen stimmte die Kasse. Dann machte ich mich auf den Weg zum Kapitänshaus, um noch ein Stündchen zu schlafen, bevor ich abgeholt wurde.
»Kaum zu glauben, aber ich war bislang noch nicht in Rantum«, erklärte ich Sönke während der Fahrt von Keitum quer über die Insel.
»Aber ich hoffe, du weißt, dass Sylt an dieser Stelle am schmalsten ist. Zu Fuß bist du innerhalb von zehn Minuten vom Weststrand mit den Dünen am Wattenmeer und den Salzwiesen«, sagte Sönke. »Ich mag diese Gegend, weil es hier selbst in der Hochsaison einigermaßen ruhig zugeht, und landschaftlich ist es einmalig schön. Meine Tochter fand es als Kind allerdings gruselig, dass das Land nur sechshundert Meter breit ist, und hatte immer Angst, Sylt würde irgendwann in der Mitte durchbrechen. Sie wollte nie in Rantum wohnen, weil sie dachte, ihr Bettchen könnte weggeschwemmt werden, wenn sie nur dreihundert Meter vom Wasser entfernt schläft.«
Ich schmunzelte.
Kinder und ihre Fantasien …
»Sieht aber hier gar nicht so bedrohlich aus«, antwortete ich mit Blick auf die zahllosen, hell geklinkerten und
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