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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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verlegenes Schweigen ein.
    »Wo wohnst du eigentlich?«, fragte ich zu guter Letzt, darum bemüht, ein möglichst unverfängliches Gesprächsthema anzuschneiden. »In Westerland, damit du es nicht so weit zum Flugplatz hast?«
    Sönke lächelte.
    »Nein, etwas Abstand zwischen Job und Privatem brauche ich schon. Ich lebe an einem Fleckchen, das ich für eines der schönsten halte, in Munkmarsch. Ich schätze den kleinen Hafen, die Boote, die Segelschule und die Ruhe, die über diesem Örtchen liegt. Außerdem liebe ich den Weg durch die Jückersmarsch. Es sei denn, ich habe gerade Lust auf die wilde, rauhe Nordsee, dann spaziere ich am liebsten um die Hörnumer Spitze oder den Ellenbogen herum. Und du? Wie findest du das Leben in der Keitumer Puppenstube?«
    So wie Sönke das sagte, musste ich lachen.
    »Also ich finde Keitum zauberhaft. Ich mag die Architektur, ich staune immer wieder über die Friesengärten mit den wunderbaren Rosen und die üppig bepflanzten Friesenwälle. Ich habe ein Faible für die niedlichen Boutiquen. Und das Watt ist ganz in der Nähe, auch wenn ich gut verstehen kann, was du mit Puppenstube meinst. Vermutlich ist das der kindliche Teil in mir, der sich nach Geborgenheit sehnt.«
    Eine Zeitlang hatten Patrick und ich von einem Haus wie dem von Adalbert geträumt …
    »Hast du Kinder?«, fragte Sönke interessiert.
    »Leider nein«, antwortete ich und fühlte einen Stich. Abrupt wechselte ich das Thema. »Bist du besonders freiheitsliebend, oder warum bist du Pilot geworden?«
    »Abgesehen davon, dass mich die technische Seite der Fliegerei fasziniert, seit ich ein kleiner Junge war, liebe ich es tatsächlich, tun und lassen zu können, was ich möchte – nicht immer zur Freude meines persönlichen Umfelds. Um ehrlich zu sein: Mit dieser Haltung habe ich meine damalige Frau in die Flucht geschlagen.«
    Ich war froh, dass ausgerechnet in diesem Moment die Vorspeise serviert wurde, denn auf diese Weise hatte ich ein wenig Zeit, um zu überlegen, wie ich auf dieses überraschende und äußerst persönliche Eingeständnis reagieren sollte.
    »Hab ich dich jetzt verschreckt?«, wollte Sönke wissen und bot mir ein Stück knusprig gebackenes Weißbrot an.
    »Nein, keineswegs. Erzähl mir von deiner Frau. Kommt sie auch von hier?«
    »Nein, nein, sie stammt aus Hannover. Wir haben uns kennengelernt, als sie den Segelschein bei mir gemacht hat. Zuerst hat sie sich in Sylt verliebt und dann wohl in mich.«
    Es war schwer, an Sönkes Lachen zu erkennen, ob es ihm weh tat, über seine Ex-Frau zu sprechen, oder ob er mittlerweile Abstand zu seiner Ehe gewonnen hatte. Andererseits hatte
er
sie ja ins Spiel gebracht.
    »Du bist oder warst Segellehrer?«, fragte ich verwundert. »Etwa in Munkmarsch?«
    Sönke nickte.
    »Segeln und Fliegen sind sich in gewisser Weise ähnlich. Man setzt sich den Elementen aus und weiß nie so ganz genau, was passiert, egal, wie gut man trainiert und auf alles vorbereitet ist. Man kann sich auf elegante Art und Weise allem entziehen, denn in der Luft und mitten auf dem Meer ist man nun mal schwer zu fassen …«
    »Und damit bekam deine Frau dann irgendwann Probleme?«, hakte ich nach und dachte an Sönkes Tochter.
    »Nun, das war sicher ein Aspekt. Hinzu kam, dass sie sich hier nie so richtig heimisch gefühlt hat. Nachdem unsere Tochter ausgezogen war, geriet sie in eine Krise. Sie sehnte sich nach etwas Eigenem, weil sie mir so lange den Rücken freigehalten und sich um die Kindererziehung gekümmert hatte. Obwohl sie immer darauf geachtet hat, ihre eigenen Projekte zu verwirklichen, hat ihr das schlussendlich nicht gereicht. Mittlerweile lebt sie in der Nähe von München und ist erstaunlicherweise mit einem passionierten Bergsteiger verheiratet. Also wieder mit jemandem, der keinen gewöhnlichen Schreibtischjob hat. Verrückt, nicht wahr? Aber sie liebt es, mit ihm steile Gipfel zu erklimmen, und das ist alles, was für mich zählt.« Ich war beeindruckt, wie reflektiert und liebevoll Sönke von seiner ehemaligen Frau erzählte. Nach unserem ersten Zusammentreffen hätte ich niemals vermutet, dass so ein sensibler Kern hinter seiner rauhen Schale steckte.
    »Habt ihr denn noch Kontakt?«
    »O ja, sehr guten sogar. Erstaunlicherweise können wir jetzt besser miteinander reden als zuvor. Wir telefonieren häufig und besuchen uns gegenseitig. Manchmal unternehme ich sogar zusammen mit ihrem Mann eine Bergtour.«
    Meine Gedanken flogen wieder einmal zu Patrick. Womöglich

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