Inselsommer
des Intellektuellen unterstrich. Der Kontrast zwischen Marco und Larissas Mann Leon hätte nicht größer sein können. Doch am Ende hatte Leon anscheinend den Kampf um ihr Herz gewonnen.
Ich freute mich schon auf die Lesung mit Marco Nardi und war gespannt, wie Larissa ihm begegnete.
Jedenfalls würde ich mir bei nächster Gelegenheit seinen neuesten Roman
Halbzeit
kaufen.
39 . Kapitel
M ontag hatte ich frei und überließ Bente und Olli die Küche. Ich musste mich dringend um die Galerie kümmern.
Den ganzen Vormittag saß ich am Computer und durchforstete das Internet nach neuen Künstlern, die zu ArtFuture passen könnten. Von Minute zu Minute bekam ich schlechtere Laune.
Entweder hatte ich mein angeblich untrügliches Gespür für die Entdeckung neuer Talente verloren, oder es gab momentan keine.
Ob Larissa immer noch mit mir zur documenta fahren wollte? Ein wenig beschämt dachte ich an unsere Pläne und die
Liste,
von der wir bislang nicht einen einzigen Punkt in die Tat umgesetzt hatten. Noch nicht einmal den Rundflug!
Was war nur in der letzten Zeit mit mir los?
Meine Suche nach neuen Künstlern war immer von großer Vorfreude und Aufregung begleitet gewesen. Von dem glühenden Verlangen, endlich
das
eine Talent zu entdecken, wie einen Schatz, der ausgerechnet von mir gehoben werden wollte. Doch heute türmte diese Aufgabe sich wie ein schier unbezwingbarer Berg vor mir auf, und ich verspürte nicht die geringste Lust, ihn zu überwinden.
Auch das Wetter zeigte sich von seiner kapriziösen, eher anstrengenden Seite: Wie im April wechselten sich Sonne, Wolken und sanfte Winde in gefühltem Minutentakt ab.
Dennoch würde mir ein wenig Bewegung an der frischen Luft bestimmt besser bekommen, als frustriert vor dem PC zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren. Also zog ich meine Windjacke an, die ich neulich spontan gekauft hatte, und feste Schuhe.
Es zog mich ans Meer, doch diesmal hatte ich Sehnsucht nach hellem, breitem Strand und Wellen. Da ich keine Lust hatte, extra bis nach Hörnum, List oder Kampen zu fahren, entschied ich mich für Westerland. Dort konnte ich dann auch endlich zu Gosch gehen und die berühmten Thai-Nudeln probieren, von denen mir Doro so vorgeschwärmt hatte. Doch bevor ich diese Kalorienbombe genoss, wollte ich einen ausgedehnten Strandspaziergang machen.
Nachdem ich zum Glück einen Parkplatz in der Nähe der Promenade erwischt hatte, blinzelte die Sonne hinter dem dichten Wolkenteppich hervor. Ich entschied mich, diesmal den rechten Strandabschnitt zu erkunden, denn den Weg vorbei am Restaurant Wonnemeyer Richtung Wenningstedt kannte ich mittlerweile ziemlich gut.
Schon sehr viel besser gelaunt, schlenderte ich die Boomhoffstraße hinunter, passierte das Gebäude, in dem der Landesbetrieb für Küstenschutz untergebracht war, und drehte mich Richtung Meer. Dabei stach mir eine Baustelle mit einer riesigen Anzeigetafel unangenehm ins Auge, deren Aufschrift vollmundig versprach, dass hier durch den Bau von zweiundzwanzig Wohnungen und Tiefgaragen
Träume wahr wurden.
Das sehen Bea und Adalbert unter Garantie anders, dachte ich und ging weiter. Vor dem Aufgang zum Strand blieb ich einen Moment stehen und atmete den unglaublichen Duft ein, den die mit Regentropfen benetzten Blüten der Kartoffelrosen verströmten. Kein Parfüm der Welt konnte da mithalten …
Der Anblick der weißen Strandkörbe mit dem blau-weiß gestreiften Innenfutter und des Meeres, das ein graues Kleid mit weißem Schaumbesatz trug, versöhnte mich sofort mit dem Tag. Ich zog meine Boots und die Strümpfe aus. Zunächst pikste der körnige Sand, doch bald schon genoss ich das herrliche Gefühl, eins mit der Natur zu sein. Während Ausläufer von Wellen meine Knöchel umspülten und Muscheln, Steine und bläulich schimmernde Quallen anschwemmten, näherte ich mich dem offiziellen Hundestrand.
Ich amüsierte mich über die Algen, die auf den ersten Blick aussahen, wie ein Teller Pasta al Nero di Seppia, die dunkle Tintenfischsauce.
In regelmäßigen Abständen tauchten Betonpoller aus dem Meer auf wie dunkelhaarige Köpfe, die sich immer wieder wegduckten, wenn die Wellen über sie hereinbrachen.
Einem kindischen Impuls folgend, malte ich mit den Zehen ein Herz in den Sand und betrachtete das mäßige Ergebnis.
»In wen bist du denn verliebt?«, hörte ich eine piepsige Kinderstimme fragen und blickte mit einem Mal in die himmelblauen Augen eines blondgelockten, etwa neunjährigen Mädchens, das
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