Inselsommer
und ich hatten schon immer mit einem Beauty-Urlaub auf einem französischen Chateau geliebäugelt, doch war immer etwas dazwischengekommen. Entweder waren Emma und Nils krank geworden, oder Helen hatte eine wichtige Gerichtsverhandlung gehabt, oder ich war in der Galerie eingespannt gewesen. Früher waren wir viel häufiger gemeinsam verreist, wenn auch nicht so exklusiv.
Nach dem Telefonat mit Helen schaute ich eine Weile aufs Watt, das so friedlich vor mir lag. Kaum zu glauben, dass starke Verwehungen Teile der Küste von Sylt zerstörten und den dort abgetragenen Sand auf die Nachbarinsel Amrum wehten, die dadurch immer größer wurde.
Alles war im Umbruch – auch die Natur.
Nachdem ich die friedliche Stille genossen hatte, bog ich ab, um Adalbert wie geplant zu besuchen. Ich wollte ihn fragen, ob ich ihn bei dem Protest gegen den Bau des Hotels unterstützen konnte.
Wie sich herausstellte, war Adalbert jedoch wesentlich entspannter als Bea und sonnte sich gerade im Strandkorb, als ich kam. Seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er richtig braun geworden.
»Ah, Paula, da bist du ja«, begrüßte er mich erfreut und stand auf, um mir die Gartenpforte zu öffnen. »Bea hat mir deinen Besuch schon angekündigt. Wie sieht’s aus? Hast du Lust auf einen Eistee? So heiß, wie es momentan ist, gibt es nichts Besseres.« Ich nickte und folgte ihm ins Watthaus, in dem es angenehm kühl war.
»Dieses hellblaue Sommerkleid steht dir übrigens ausgesprochen gut.« Adalbert zwinkerte charmant.
Ich freute mich über das Kompliment und schaute zu, wie mein Gastgeber zwei langstielige Gläser mit Eistee füllte, den er in einem Glaskrug im Kühlschrank aufbewahrt hatte. Danach dekorierte er jedes Glas mit einer Scheibe Zitrone und steckte einen bunten Strohhalm hinein.
»Sollen wir trotz der Hitze auf die Terrasse gehen?«
»Wenn es dir nichts ausmacht. Ich genieße momentan jeden Sonnenstrahl. Und wer weiß, wie lange das schöne Wetter anhält? Auf den Inseln kann es ja sehr schnell umschlagen.«
»Da hast du auch wieder recht«, schmunzelte Adalbert.
Der Himmel über uns war strahlend blau, so dass sich die Möwen und Seeschwalben am Horizont deutlich vom Hintergrund abhoben.
»Kein Wunder, dass jemand auf die Idee kommt, hier ein Hotel zu bauen, nicht wahr?«, begann Adalbert. »Irgendwie kann ich die Investoren verstehen. Eigentlich sollte jeder ein Stück vom Sylter Glück abbekommen. Wenn deswegen nur nicht die Natur so leiden müsste. All die schönen Bäume …«
»Wann soll denn mit dem Bau begonnen werden?«, fragte ich, um besser einschätzen zu können, wie viel Zeit wir für unsere geplanten Protestaktionen hatten.
»Ich denke, so in zwei bis drei Monaten. Man will ja die Keitumer Urlauber nicht mit dem Baulärm nerven. Außerdem gibt es, soweit ich weiß, eine gemeindeinterne Diskussion über die geplante Nutzung. Die eine Fraktion ist für das Hotel, die andere wünscht sich Ferien-Apartments. Von daher bringt es nichts, sich jetzt schon verrückt zu machen. Vielleicht überlegen es sich die Damen und Herren doch noch anders oder haben plötzlich Liquiditätsschwierigkeiten wie bei dem Bau des Thermalbads.« Ich dachte an die graue, deprimierende Bauruine neben der Keitumer Kurverwaltung, vor der mittlerweile ein großer Holzzaun errichtet worden war, um den optischen Schandfleck ein wenig zu kaschieren. Doch ungünstigerweise wirkte das Gebäude dadurch nur noch hässlicher. Und es war leider nicht das einzige. Die glamouröse Fassade der Schickeria-Insel bekam offenbar Risse …
»Aber, meine Liebe, wie geht es dir denn? Was macht deine Galerie? Läuft dort alles zu deiner Zufriedenheit?«, wollte Adalbert wissen. Ich erzählte, wie engagiert Vincent, Mira, die Neue, und Jule sich um ArtFuture kümmerten und dass ich Ineke Alwart kennengelernt hatte.
Nachdem ich Vincents Namen laut ausgesprochen hatte, bemerkte ich zu meiner Verwunderung, dass ich zum ersten Mal keinen Stich verspürte.
»Du warst bei Ineke im Atelier?« In Adalberts Blick lag so etwas wie Bewunderung. »Weißt du, dass sie seit ungefähr zehn Jahren niemandem mehr ihre Bilder gezeigt hat?« Ich erwähnte die professionelle Multimediashow und wie sehr ich von der starken alten Frau beeindruckt sei.
»Das kann nur das Werk eines Enkels ihrer Schwester gewesen sein«, murmelte Adalbert. »Ineke hat ja keine Kinder, aber eine große Verwandtschaft, die sich garantiert mit Technik auskennt. Würdest du denn gern ihre
Weitere Kostenlose Bücher