Inselsommer
jünger –, einfach umwerfend aus.
»Ich vermute mal ja«, antwortete Patrick, und ich bemerkte, dass seine Lachfältchen trotz der Bräune hell geblieben waren.
»Und? Worauf hast du Appetit? Der Fisch soll hier fantastisch sein. Bist du mit dem Auto da? Ich frage nur wegen der Weinbestellung.«
»Ich bin mit dem Taxi gekommen und werde mir auch für die Rückfahrt eins bestellen. Der Fahrer hat mir extra seine Karte gegeben, damit ich seinen Wagen direkt anfordern kann.«
»Soso, er möchte dich wiedersehen.« Patrick schmunzelte und wirkte erstaunlicherweise so entspannt, als hätte das Thema Eifersucht niemals eine Rolle zwischen uns gespielt.
»Ich glaube eher, dass er nichts gegen eine zweite lukrative Tour einzuwenden hat«, entgegnete ich. Hätte ich geahnt, dass die Fahrt so teuer werden würde, hätte ich zumindest für den Hinweg den Bus genommen.
»Oder so«, antwortete Patrick, und ich ärgerte mich ein bisschen darüber, dass er nicht länger auf seiner Version bestand. War ich in seinen Augen auf einmal uninteressant?
War er auf einmal so gelassen, weil es in seinem Leben eine neue Frau, sogar eine neue Familie gab?
Eifersucht kroch in mir hoch, giftig wie eine Schlange.
»Und? Was ist nun mit dieser Frau an der Elbe?«, platzte es plötzlich aus mir heraus, wofür ich mich hätte gleichzeitig ohrfeigen können. Ich hatte doch warten wollen.
»Sollten wir nicht erst einmal bestellen?«, entgegnete Patrick in einem deutlich weniger weichen Tonfall.
Vor Verlegenheit schoss mir die Röte ins Gesicht, und ich senkte den Kopf.
Ich ärgerte mich jetzt schon, dass ich Patrick diesen Brief geschrieben hatte, und fragte mich, warum wir hier eigentlich saßen. In diesem Augenblick hätte ich mit Olli am Strand oder auf einem romantischen Törn mit Sönke sein können.
Nachdem wir bestellt hatten, war ich froh, dass ich mich an meinem Aperitif – einem Glas Kir Cassis – festhalten konnte. Natürlich war es unsinnig, auf diese Weise locker werden zu wollen, aber es gab nun mal Situationen im Leben, wo ein wenig Hilfe vonnöten war.
»Die Frau an der Elbe, wie du sie nennst, heißt Simona Brandt und ist meine Ex-Freundin. Ich habe mich von ihr getrennt, kurz bevor ich dich kennengelernt habe.«
Das Wort
Ex-Freundin
traf mich wie ein Faustschlag.
Warum hatte er mir noch nie von ihr erzählt?
Hatte Patrick sich wieder bei ihr gemeldet, nachdem ich ausgezogen war? Viele Männer taten das, wenn sie sich einsam fühlten. Oder noch schlimmer: Hatten die beiden womöglich schon seit Jahren Kontakt, ohne dass ich davon wusste?
»Falls du dich jetzt fragst, wieso dir dieser Name nichts sagt und weshalb ich dir nie von Simona erzählt habe, liegt es schlicht daran, dass sie kurz nach unserer Trennung nach Stade gezogen ist und keinerlei Kontakt mehr wollte. Also hielt ich es nicht für nötig, sie zu erwähnen. Denn allein du zähltest in meinem Leben.« Sofort dachte ich an Jörg, meinen Freund vor Patrick.
Von ihm hatte ich Patrick erzählt, weil wir auch nach der Trennung noch gut befreundet waren und uns ab und zu trafen, wobei diese Treffen in den letzten Jahren immer seltener geworden waren.
»Der Junge ist übrigens ihr Sohn Benjamin. Er ist fast siebzehn …«
Im Film wäre diese Eröffnung folgendermaßen weitergegangen: Und Benjamin ist mein Sohn.
» … und wirklich großartig.«
»Und weil er so großartig ist und Simona zufällig deine Ex-Freundin, spielst du jetzt den Ersatz-Papa«, bemerkte ich zynisch. Nun senkte Patrick den Blick. Er war sensibel und wusste natürlich, was diese Äußerung bei mir auslöste.
»Das genau ist der Grund, warum ich lieber persönlich mit dir sprechen wollte.«
»Es tut so oder so weh.«
»Ich weiß. Ich wünschte, es wäre nicht so.«
In diesem Moment näherte sich eine fröhlich lächelnde Kellnerin unserem Tisch und balancierte verschiedene Teller: »Einmal Feldsalat mit Himbeeressig und gebackenem Ziegenkäse für die Dame. Und einmal die Pfifferlingssuppe mit Croûtons für den Herrn.« Ein weiterer Kellner brachte einen silbernen Eiskühler an unseren Platz und entkorkte den Weißwein.
Ich war froh über diese Unterbrechung, weil sie mir die Chance gab, mich ein bisschen zu sammeln, bevor ich womöglich anfing zu weinen.
»Wenn Sie bitte kosten wollen?« Unter dem prüfenden Blick des Sommeliers nippte Patrick am Wein und nickte zustimmend. Währenddessen überlegte ich, ob ich mich noch kurz auf die Toilette flüchten
Weitere Kostenlose Bücher