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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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eines Segelbootes bei leichter Brise.
    Sie verließ den Hafenbereich und erreichte über die enge, dunkle Kronengasse und geradewegs weiter über Bindergasse eines der Herzen der Altstadt. Als sie das Auktionshaus Zeller passierte, wo sie wenige Tage zuvor das Gemälde ersteigert hatte, wurden ihre Gedanken leichter. Das kleine Bild war gedacht, sie an die Tage hier am See zu erinnern; es sollte dieses Gefühl der Unbeschwertheit, das sie anfangs hier ergriffen hatte, reproduzieren. Jetzt würde es sie daran erinnern, wie dramatisch sich die Dinge entwickelt hatten. In einer Weise, die sie nicht beabsichtigt und gewollt hatte. Was sollte sie nun mit diesem Stillleben anfangen? Was mit ihrem zukünftigen Leben? Die weiten Schaufenster von Erath hielten sie wenige Meter später auf. Sie blieb stehen, ließ ihre Blicke über glänzendes Geschirr, Gläser und Besteck gleiten. Schöne Dinge, von denen sie sich unter anderen Umständen in den Laden hätte locken lassen. Sie wendete ihren Blick nach Westen, folgte den mittelalterlichen Fassadenlinien und angedeuteten Arkaden. An einer Hauswand blieben ihre Augen an einem Spruch hängen:

    Durch Eintracht werden kleine Dinge groß
    Durch Zwietracht wird man große Dinge los

    Die Menschen, die ihr begegneten, kamen ihr um so viel glücklicher und zufriedener vor als sie selbst es war. Es war verrückt. Noch vor wenigen Tagen hatte sie sich gefreut, ihr Leben zu einer erfüllenden Wendung zu bringen, und schon schwenkte das Schicksal auf die dunklen Wege ein.
    Mit Grohm und Melanie Schirr hatte sie seit dem Sonntag nur wenig gesprochen. Ganz von allein fanden sie sich nicht mehr zum gemeinsamen Essen zusammen, und völlig ohne aktives, bewusstes Zutun geschah es, dass sie sich nicht einmal mehr begegneten.
    Sie hatte nicht gewusst, was sie hatte sagen sollen, als sie zufällig auf Grohm getroffen war, der ihr offenbarte, dass er Melanie Schirr am Samstagmorgen in der Nähe des Segelhafens gesehen habe. Er berichtete, wie schwer es ihm gefallen war, der Polizei dies zu verschweigen und stattdessen sich selbst zu belasten, indem er von seinen morgendlichen Spaziergängen berichtete. Dass ihn dies verdächtig machen würde, er aber keine Befürchtungen haben müsse.
    Sie hatte dazu geschwiegen und den Schwindel, der sie erfasst hatte, gut überstanden. Melanie Schirr war also an jenem Morgen auch unterwegs gewesen.
    Als sie die Seebrücke überquert und das Festland erreicht hatte, war es ihr beinahe so, als wäre die Polizeidienststelle ein Ort, an dem sie sich wohler fühlen konnte als unten am Hafen. Die blonde Polizistin war ihr sympathisch. Sicher hatte sie ein glückliches Leben. Sicher. Und all die anderen Menschen auch, die ihr begegneten.

    Ein etwas knorriger, älterer Mann hatte sie empfangen und etwas umständlich auf einen Stuhl im Gang bugsiert. Es war der Leiter der Dienststelle, wie sie schnell mitbekam.
    Kurze Zeit darauf war er zurückgekommen und hatte sie in diesen kargen Raum gebracht, wo sie wartete und eine Weile mit ihren Gedanken alleine sein konnte, ohne von idyllischen Zuständen und zauberhaften Landschaften an einer sachlichen Reflexion ihrer Situation gehindert werden zu können. Ein flaues Gefühl im Magen steigerte sich zu einem Taumel. Obwohl sie saß, musste sie beide Hände auf die Tischplatte legen, um das Gefühl von Gleichgewicht erzeugen zu können.

    Robert Funk trat bald darauf in den Raum, grüßte ernst, breitete seine Unterlagen aus und nahm das Aufzeichnungsgerät in Betrieb. Die Türe hatte er offen gelassen. Da er schweigend in den Papieren blätterte, musste also noch jemand kommen.
    Sie hoffte auf die Blonde. Wie war noch mal ihr Name gewesen?
    Schielin betrat den Raum und schloss die Türe.
    Ihre Hände fassten die Tischkante fester. Das Atmen fiel schwerer wegen der Enge.
    Draußen am Gang schlich Lydia Naber mit schlechtem Gewissen an der Türe zum Vernehmungszimmer vorbei. Wäre es vielleicht nicht doch besser gewesen, wenn sie bei der Vernehmung mit dabei gewesen wäre? Ohne Ziel ging sie den Gang nach vorne. Gommi hatte frei, Hundle war weg, Jasmin Gangbacher hatte die Türe geschlossen. Schade. Wenzel war noch unterwegs und Kimmel gänzlich ungeeignet für ein Gespräch. Lydia Naber ging in den Keller und suchte im Spurenlabor nach einer Beschäftigung, die geeignet war sie abzulenken.
    *
    Schielin hatte nach kurzer Begrüßung und noch im Stehen mit einer feststellenden Frage begonnen. »Sie sind seit gut einem Jahr in der

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