Inselzauber
glaubt und meine Sachen ausstellen möchte.«
»Und? Hat das schon mal geklappt?«, frage ich, denn die Idee ist gut und scheint in die richtige Richtung zu zielen. Ich denke auch, dass Nele langfristig eher mit ihrer Kunst Geld verdienen wird als mit diesem Café. Restaurants und Kaffeebars gibt es wie Sand am Meer, erst recht auf Sylt. Aber solche wundervollen Bilder?
»Ja, ab und zu habe ich mal Glück«, antwortet Nele und kritzelt wieder auf ihrer Serviette herum. »Aber das sind dann mal hie und da fünfhundert oder tausend Euro, damit kann ich den Karren auch nicht aus dem Dreck ziehen. Mit Kunst Geld zu verdienen ist schwer. Es gibt einfach zu viele begabte Leute oder vielmehr eine Menge noch begabtere als mich. Selbst die krebsen teilweise am Existenzlimit herum, wenn sie nicht gerade unwahrscheinlich viel Glück haben oder über das Talent verfügen, sich selbst gnadenlos zu inszenieren und zu vermarkten. Letzteres ist nun mal nicht mein Ding. Also wird es wohl darauf hinauslaufen, dass ich Ende Februar hier die Schotten dicht mache und mich nach Mexiko absetze. Dort ist es wenigstens warm und nicht so eisig wie hier.« Wie zur Bestätigung zieht Nele die Schultern hoch und ihre Jacke enger um sich.
»Das kannst du doch nicht allen Ernstes wirklich vorhaben? Wenn du alle Brücken hinter dir abbrichst und einfach weggehst, ohne deine Angelegenheiten zu klären, machst du dich sogar strafbar. Das wirst du unmöglich wollen, oder? Können dir deine Eltern denn nicht irgendwie helfen?«, bohre ich weiter nach, weil ich nicht möchte, dass Nele sich ins Unglück stürzt.
»Meine Eltern haben auch kein Geld«, lautet die knappe Antwort, während meine Gastgeberin eine zweite Flasche Wein öffnet. »Die haben schon meine Brüder während ihres Studiums unterstützt und mir die letzten beiden Monatsmieten für die Wohnung bezahlt. Aber mehr haben sie nicht, und ich würde es auch nicht annehmen, selbst wenn sie das Geld hätten. Die brauchen doch alles selbst für ihre Altersvorsorge. Außerdem können sie nichts dafür, dass ihre Chaotentochter so schlecht durchs Leben kommt. Das haben sie sich bestimmt auch anders vorgestellt.«
»Kannst du nicht wenigstens noch einmal mit dem Bankberater und deinem Vermieter reden? Vielleicht gibt es noch irgendeine Möglichkeit, von der du bislang gar nichts weißt?«, frage ich hoffnungsvoll, glaube aber selbst nicht so recht an das, was ich da gerade sage.
In der heutigen Zeit ist es nicht so einfach, ohne weitere Sicherheiten einen Kredit aufzustocken, wenn man die Tilgungsraten noch nicht mal bezahlt hat. Nein, die Situation klingt schon sehr verfahren.
»Komm, lass uns jetzt über was anderes sprechen, bevor ich depressiv werde«, sagt Nele, und ich habe den Eindruck, dass es für heute reicht.
Ich kann verstehen, dass sie abschalten will, und da ich augenblicklich auch keine schlaue Idee habe, ist Nele sicher fürs Erste am besten damit geholfen, dass sie eine Weile nicht an ihr Unglück denkt.
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Kapitel 6
A m nächsten Morgen klingelt es an der Tür des Kapitänshauses: Paula ist wieder aus Stuttgart zurück. Tanja verabschiedet sich hastig von ihrer Tochter, um dann gleich nach Westerland zu fahren. Zuvor drückt sie mir noch eine Schachtel Pralinen in die Hand, vermutlich will sie mir das Zusammensein mit ihrer Tochter erträglicher machen.
»Danke, dass Sie Paula übernehmen, jetzt, wo Bea nicht da ist. Sie sind mir eine große Hilfe«, bekräftigt sie, und ich sehe in ihre traurigen Augen.
Es ist sicher nicht leicht, alleinerziehend zu sein und gleichzeitig einen anstrengenden Job zu haben.
»Hallo, Paula! Wie war’s bei Oma und Opa?«, frage ich die Kleine betont munter, während ich ein Brötchen und Kakao vor sie auf den Tisch stelle.
Da ich keine Antwort bekomme, beschließe ich aus Rache, NICHT die Haut vom Kakao zu entfernen und stattdessen in aller Ruhe den
Sylter Tagesspiegel
zu lesen. Paula scheint das nicht weiter zu stören, stattdessen spielt sie mit Timo, der sich offensichtlich freut, dass seine kleine Freundin wieder da ist.
»Was die nur alle an der finden?«, murmle ich kopfschüttelnd, während ich die Autoschlüssel hole, das stumme Kind in den Jeep verfrachte und es am Kindergarten absetze.
Als ich auf die Bücherkoje zusteuere, stoße ich auf eine völlig aufgelöste Nele, die vor der verschlossenen Tür auf mich wartet.
»Da bist du ja endlich!«, ruft sie aufgebracht.
Ich bugsiere meine Besucherin erst einmal in die
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