Inselzauber
wir einen Rotwein, den ich mitgebracht habe, und plaudern über dies und das. Über Bea, über Leon, über meine Eindrücke vom Leben hier auf der Insel und die ersten Fauxpas, die ich mir in der Bücherkoje geleistet habe.
Über die Geschichte mit dem Triste-Butter-Buch lacht Nele sich kaputt und kritzelt parallel dazu etwas auf ihre weiße Papierserviette. Es ist ein trauriges Butterpaket, das einen Koffer in der Hand hält, so wie ich es mir in meiner Phantasie ausgemalt habe. Auch die nächste Geschichte, in der es um den Autor Wolfgang Borchert geht, findet sie unglaublich witzig und amüsiert sich über meine ersten Gehversuche als Buchhändlerin.
»Wie? Der Typ hat tatsächlich draußen nachgesehen?«, erkundigt sie sich und schüttelt sich dermaßen vor Lachen, dass ich befürchte, sie hört nie wieder auf.
»Ja, hat er«, sage ich und wiederhole meine Schilderung noch einmal.
Ein Kunde war in die Bücherkoje gekommen und hatte gefragt, ob wir DAS Buch von Wolfgang Borchert hätten. Worauf ich antwortete oder besser gesagt nachfragte:
»Draußen vor der Tür?«
Schließlich hat Borchert mehrere Bücher geschrieben, auch wenn dieses sein bekanntestes ist.
Der Kunde erwiderte auf meine Frage: »Nein, draußen ist es nicht, da habe ich schon nachgesehen«, und deutete auf die Kiste mit den reduzierten Taschenbüchern, die wir im Marktkarren vor der Buchhandlung stehen hatten.
»Super«, begeistert sich Nele erneut und wischt sich mit der bekritzelten Serviette die Lachtränen vom Gesicht. »Ich wünschte, mir würde im Möwennest mal so was passieren. Aber irgendwie ist es da vergleichsweise langweilig. Die einzigen aufregenden Momente bestehen darin, wenn die Gäste mal etwas zu meckern haben, und das ist dann eher lästig als lustig.«
»Magst du denn erzählen, was mit dem Café schiefläuft?«, pirsche ich mich vorsichtig an das für sie sicher unangenehme Thema heran.
»Ach, das ist doch nun wirklich nicht interessant«, versucht sie meine Frage mit einer abwehrenden Handbewegung vom Tisch zu fegen. »Das ist alles eine fatale Kombination aus der Tatsache, dass Karin mich im Stich gelassen hat, dass die Leute einfach nicht mehr so viel aushäusig essen und trinken und dass ich leider auch nicht so gut mit Geld umgehen kann, fürchte ich«, seufzt Nele.
Sofort muss ich daran denken, wie großzügig sie bislang mir gegenüber war. »Machst du das häufig, dass du deine Stammgäste einlädst, so wie mich am Neujahrsabend, oder war das nur eine Ausnahme? Ich stelle es mir nämlich schwierig vor, wenn man Leuten, die man gut kennt, etwas in Rechnung stellen muss. Wahrscheinlich erwarten einige dieser Gäste sogar einen Rabatt, oder?« Durchdringend sehe ich Nele an, die unsicher eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger wickelt.
»Ja, ich meine nein. Also, ich meine ja«, antwortet sie dann stockend.
Wieder frage ich mich, ob mich das alles überhaupt etwas angeht und ich nicht lieber den Mund halten soll. Doch ich kann nicht anders, weil ich diese Frau mag und ihr helfen möchte.
»Es ist schon so, wie du vermutest. Ich lade die Leute oft ein, wenn sie nur einen Espresso oder sonst was Kleines trinken. Viele Stammgäste haben außerdem bei mir eine Art Kreditkonto, wo ich alles notiere. Am Ende des Monats ist es mir aber meistens peinlich, nach dem Geld zu fragen. Oder ich habe solche Vereinbarungen wie zum Beispiel mit Inga. Du weißt schon, die Frau mit den Keramikbechern, die Blairwitch kaputt gemacht hat. Inga hat auch kaum Geld und gibt deshalb ihre Becher bei mir in Zahlung. Das Problem ist nur, dass ich nur ganz selten ein paar von den Dingern verkaufe. So schön sie auch sind, aber für die meisten potenziellen Spontankäufer sind sie eben einfach zu teuer. Tja, und so kommt irgendwie dann eins zum anderen. Jemandem wie Valentin kann ich natürlich auch kein Geld abknöpfen, zumal er immer mal wieder Fotos für mich macht, ohne etwas dafür zu verlangen.«
»Was denn für Fotos?«, erkundige ich mich neugierig und kann mir allmählich ein besseres Bild von Nele und ihren Schwächen machen. An Ideen, Talent und Elan scheint es ihr nicht zu mangeln. Dafür aber an der strengeren Durchsetzung der Dinge, die ihr zustehen. Komisch, so tough, wie sie wirkt, hätte ich ihr eine solche Verhaltensweise gar nicht zugetraut.
»Fotos von meinen Bildern und Skulpturen, mit denen ich mich bei Galerien bewerbe. Die schicke ich dann per E-Mail los, in der Hoffnung, endlich mal jemanden zu finden, der an mich
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