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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Buchhandlung, weil sie schon ganz blau vor Kälte ist. »Was ist denn passiert?«, erkundige ich mich besorgt, während ich den Marktwagen auf den Bürgersteig schiebe.
    »Ich war gerade am Geldautomaten«, sagt Nele atemlos und mit aschfahlem Gesicht. »Der hat einfach meine Karte einbehalten. Aber ich muss jetzt unbedingt auf den Markt und für den Mittagstisch einkaufen. Kannst du mir dafür ein bisschen Geld leihen?«
    »Klar, wie viel brauchst du denn?«, frage ich mechanisch und hole mein Portemonnaie aus der Tasche, während es in meinem Kopf rotiert. Ist es jetzt schon so weit, dass Nele kein mehr Geld bekommt? Oder ist das nur ein Versehen der Bank? »Hier, reichen erst mal hundert Euro?«, frage ich und stecke ihr zwei Fünfziger zu, als sie nickt.
    »Danke«, sagt sie und fällt mir um den Hals. »Damit hast du mir den Tag gerettet. Du bekommst das Geld heute Nachmittag wieder. Nach dem Einkaufen gehe ich zur Bank, dann wird sich bestimmt alles aufklären. Das kann alles nur ein Missverständnis sein«, murmelt sie, steigt in ihren alten, wackligen Opel Corsa und fährt mit quietschenden Reifen davon.
    »Was wollte DIE denn schon so früh hier?«, ertönt die Stimme von Birgit Stade aus dem Hintergrund der Bücherkoje.
    »Mir etwas geben«, antworte ich vage, weil ich auf keinen Fall möchte, dass meine Kollegin erfährt, wie schlimm es um die Existenz von Nele bestellt ist. Denn irgendwie glaube ich nicht an ein Missverständnis.

    Dass ich mit meiner Annahme recht behalte, zeigt sich bereits am Nachmittag, als ich ins Möwennest gehe, um dort einen Espresso zu trinken. Im Café ist nicht besonders viel los, und so erfahre ich, dass die Bank Neles Geschäftskonto gesperrt hat, weil sie ihren Dispokredit um 2000 Euro überzogen hat.
    »Und nun?«, frage ich besorgt und etwas ratlos. Natürlich kann ich ihr finanziell ein wenig aushelfen, wenn Not am Mann ist, aber mit ein paar hundert Euro ist es hier ganz offensichtlich nicht getan.
    »Morgen früh habe ich einen Termin beim Filialleiter«, erklärt Nele und wirkt nicht besonders überzeugt davon, dass ihr dies weiterhelfen wird.
    »Was willst du ihm sagen? Hast du schon eine Idee?«
    »Was heißt hier eine?«, antwortet Nele mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen. »Ich habe Hunderte, ach was, Tausende. Ich werde Lotto spielen, Klamotten und Schmuck bei eBay versteigern, meinen Wagen verkaufen, und wenn alle Stricke reißen, kann ich es immer noch mit Telefonsex versuchen.«
    Jetzt muss ich trotz der ernsten Situation lachen, weil ich mir vorstelle, wie Nele, während sie in der Küche den Kuchenteig knetet oder Kartoffeln schält, mit erotischer Stimme versucht, einen Kunden am anderen Ende der Leitung anzuheizen. »Dann musst du dir nur noch überlegen, ob du lieber Olga aus Russland bist, Nathalie aus Frankreich oder Gina aus Italien. Ich finde, ein rassiger Akzent ist ein unbedingtes Muss in diesem Gewerbe«, erwidere ich kichernd.
    Doch anders als erwartet, steigt Nele nicht lachend auf meine Phantasien ein, sondern sieht stattdessen tieftraurig aus. »Wird schon irgendwie weitergehen«, seufzt sie und wendet sich dann einem Gast zu, der gerade das Möwennest betreten hat. Leider ist es nur ein Tourist, der wissen möchte, wie er am besten zur Post kommt.
    Nachdenklich gehe ich wieder in die Bücherkoje zurück. Es muss doch irgendetwas geben, womit man das Café wieder in Schwung bringen kann, überlege ich. Aber ich habe keine Zeit, weiter nachzudenken, weil Birgit Stade mich darauf aufmerksam macht, dass wir in zwei Wochen eine Veranstaltung in der Buchhandlung haben, die es noch vorzubereiten gilt. Es handelt sich um die Präsentation eines Kochbuchs mit Sylter Spezialitäten. Wir müssen eine Anzeige schalten, unsere Stammkunden einladen, Mailings in Auftrag geben, uns eine geeignete Dekoration überlegen und die Bestuhlung organisieren.
    Wie immer bin ich froh, dass meine Kollegin alles so gut im Griff hat und ich ihr im Prinzip nur über die Schulter zu sehen brauche. Ich freue mich auf ein wenig Abwechslung und darauf, etwas Neues kennenzulernen, auch wenn das Organisieren von Events im Hotel ebenfalls in meinen Aufgabenbereich fällt. Bei dem Gedanken an Hamburg überkommt mich ein seltsames Gefühl. Wie wird es werden, wenn ich zurück bin? Kann ich mir überhaupt sicher sein, dass es meinen Job dann noch gibt? Unbezahlter Urlaub kann einer Karriere schnell schaden, vor allem in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie diesen.
    Was

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