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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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der Begriff »Sortimenterin« stammt. Denn als Buchhändlerin geht es um das Sondieren, das Selektieren, also um das SORTIEREN . In einer Zeit, in der es alles und jedes zu jeder Zeit in völligem Überfluss gibt, sind die Menschen auch ein bisschen darauf angewiesen, dass jemand zumindest eine gewisse Vorauswahl trifft. Dann können sie immer noch selbst entscheiden.

    Nachdem ich von der Post zurück bin, mache ich mich daran, das »Abholfach« zu durchforsten, eine Aufgabe, die ich ebenfalls nicht sonderlich mag. In diesem Fach stehen alle bestellten Bücher nach den Nachnamen der Kunden sortiert. Alle zwei Monate muss man kontrollieren, welche Titel nicht abgeholt wurden, um dann entweder den jeweiligen Kunden nett und höflich daran zu erinnern, dass er etwas vergessen hat, oder das Buch wieder an den Großhändler zurückzuschicken.
    Mit einem gewissen Amüsement denke ich an meine ersten Tage in der Bücherkoje, als ich in der hektischen Vorweihnachtszeit mehrfach daran gescheitert bin, den Kunden das Gewünschte herauszusuchen, weil ich in Unkenntnis vieler Buchtitel oftmals ein Opfer von akustischen Verwechslungen wurde.
    So suchte ich zum Beispiel an meinem ersten Arbeitstag verzweifelt und ohne jeden Erfolg nach dem bestellten Titel
Triste Butter unterwegs,
den ich zwar ungewöhnlich fand, mich aber nicht weiter irritieren ließ, weil heutzutage fast alles möglich ist. Meine Phantasie schlug Purzelbäume, ich dachte an ein Kinderbuch und sah im Geiste schon das Cover vor mir, auf dem ein in Stanniol eingepacktes Stück Butter, die Mundwinkel traurig nach unten verzogen, mit einem Koffer in der Hand zum Bahnhof ging.
    Wo genau sie hinwollte, hatte ich mir noch nicht überlegt, und es kam auch nicht mehr dazu, weil der Kunde allmählich ungeduldig wurde. Vor dem Abholfach wurde die Schlange der Wartenden immer länger, und personelle Unterstützung war auch nicht in Sicht. Es war nämlich Mittagszeit, Frau Stade war in der Pause und Bea mal wieder damit beschäftigt, den ewigen Papierstau beim Kopierer zu entfernen. Leicht hektisch durchwühlte ich das Fach mit dem Buchstaben »M«, denn unglücklicherweise hieß der Kunde mit Nachnamen Müller, bekanntlich nicht gerade ein seltener Name.
    Da ich fest von einem Kinderbuch ausging und daher nach einem querformatigen Hardcover suchte, wurde und wurde ich einfach nicht fündig. Die Situation besserte sich auch nicht dadurch, dass Herr Müller sich erbost an Bea wandte und diese vom Kopierer abberief, um mir unter die Arme zu greifen. Alle starrten mich an, als Bea nochmals nach dem Buchtitel fragte, binnen Sekunden ein Taschenbuch aus dem Fach holte und es vor dem Kunden auf den Tresen legte.
Triffst du Buddha unterwegs
lautete der korrekte Titel eines esoterischen Buches aus dem Fischer Verlag. Ich starrte es fassungslos an und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
    »Na bitte, geht doch. Man muss sich nur auskennen«, giftete Herr Müller besserwisserisch.
    So bekam ich gleich einen Vorgeschmack darauf, dass nicht nur nette Menschen Bücher lesen oder kaufen. Bea hingegen ließ die Angelegenheit nicht auf sich oder vielmehr mir sitzen und konterte, dass jeder irgendwann mal irgendwo anfangen müsse. Abgesehen davon sei es auch kein Beinbruch, mal fünf Minuten zu warten. Schließlich sei bald Weihnachten, das Fest des Friedens und der Freude. Kurz befürchtete ich, Herrn Müller platze nun endgültig der Kragen, doch er besann sich umgehend eines anderen, wünschte mir eine gute Eingewöhnungszeit und schritt mitsamt seinem Buch davon.
    Bea hatte es mal wieder geschafft, mit der für sie so typischen energischen, aber durchaus charmanten Art klar aufzuzeigen, wo die Grenzen lagen. In der Bücherkoje war eindeutig SIE die Herrin im Hause, und wer hier Kunde sein wollte, hatte sich auch entsprechend zu benehmen.

    Nachdem ich eine Flasche Wein besorgt, mit Timo eine etwas längere Runde gedreht und weiter in meinem Charlotte-Link-Buch gelesen habe, klingle ich Punkt 22.00 Uhr an Neles Tür. Wie erwartet ist sie noch nicht zu Hause, doch gerade als ich überlege, sie vom Café abzuholen, höre ich das Klackern ihrer Absätze im Flur. Bis sie oben angekommen ist, habe ich Gelegenheit, das Treppenhaus zu mustern, und entdecke gegenüber ihrer Wohnung ein Klingelschild, auf dem der Name Leon Winter steht.
    Dass die beiden unmittelbare Nachbarn sind, war mir gar nicht klar. Auch nicht, dass Leon bis auf das kleine Wörtchen »de« den Namen des

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