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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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beginnen.
    »Leon hat mir erzählt, dass du dich vor einiger Zeit bei der
Berliner Zeitung
vorgestellt hast. Wie ist der Termin denn gelaufen?«, frage ich, während ich ihr Orangensaft nachschenke.
    Klar, dass eine Frau wie Julia am Vormittag noch keinen Alkohol trinkt, wie es sonst fast alle anderen hier tun, dazu ist sie sicher zu diszipliniert. Vermutlich muss sie nach dem Brunch noch in die Redaktion.
    Bei der Erwähnung des Wortes »Berlin« erhellen sich ihre Gesichtszüge auf einmal merklich – offensichtlich habe ich das richtige Thema getroffen. Wie auf Kommando prasselt ein Schwall an Informationen auf mich ein, denen ich entnehme, dass der Job bei der
BZ
so gut wie sicher ist und der absolute Traum sein muss. Berlin ist für Julia DIE Stadt und die
BZ
DIE Zeitung des Jahrhunderts. Ich erfahre, dass Julia mit dem Chefredakteur zum Mittagessen im Borchardt war, und merke, wie wichtig es ihr ist, dass ich bei der Erwähnung des wohl bekanntesten Restaurants in Berlin auch entsprechenden Beifall spende.
    »Wird so eine Fernbeziehung denn nicht schwierig für Leon und dich?«, frage ich nach dem psychologischen Aspekt dieser beruflichen Veränderung, in dem Versuch, Julia davon abzuhalten, mir den Inhalt der Speisekarte rauf und runter zu beten.
    Über diesen Punkt hat sie sich wohl noch keine Gedanken gemacht und ist deshalb ganz offensichtlich erleichtert, als Leon den Kopf durch die Küchentür steckt.
    »Da bist du ja, ich suche dich schon überall«, sagt er und gibt Julia ein Zeichen, das ich nicht verstehe.
    Aber so ist es nun mal mit Liebenden. Sie sprechen eine geheime Sprache und bedienen sich eines speziellen Codes, der für Außenstehende unentschlüsselbar bleibt. Julia versteht Leons Signal, nimmt ihr Glas und verlässt ohne ein weiteres Wort die Küche. Vermutlich ist sie froh, dass ihr Freund sie von einer Ignorantin wie mir losgeeist hat.

    Am späten Nachmittag neigt sich der Brunch dem Ende zu. Bea, Vero, Nele und ich sind vollauf damit beschäftigt, Teller und Gläser aus den entlegensten Winkeln des Hauses und des Gartens zusammenzusammeln. Als wir das Gröbste geschafft haben, legt sich Bea, die mit einem Mal wieder sehr angegriffen aussieht, ein bisschen hin, und Vero steigt auf ihr Fahrrad, um zurück nach Morsum zu fahren.
    »Wollen wir noch eine Runde mit Timo drehen?«, frage ich Nele, begierig darauf, endlich mit ihr über die Fahrt nach Hamburg zu sprechen.
    Der Hund freut sich, den vielen Leuten entronnen zu sein, die ihn immer wieder getätschelt und gehätschelt haben, was selbst ein so menschenfreundlicher Hund wie Timo auf die Dauer nicht haben kann.
    Nele und ich machen uns auf den Weg mit dem Ziel, unser Dörfchen in Richtung Archsum zu verlassen. Wir passieren das Altfriesische Haus und das Sylter Heimatmuseum und viele schnuckelige Friesenhäuser, die mit ihren halbkreisförmigen Sprossenfenstern und den knorrigen Apfelbäumen im Garten so heimelig aussehen, dass man niemals mehr woanders sein möchte als auf dieser Insel.
    »Nun mach es nicht so spannend«, ermutige ich Nele, mir alles zu erzählen.
    Doch sie beschäftigt sich ausgiebig mit Timo und spielt mit ihm Stöckchenwerfen. Der Hund ist so begeistert davon, nach dem vielen Herumliegen im Garten endlich laufen zu können, dass er gar nicht weiß, worauf er sich konzentrieren soll. Auf die Flugrichtung des Stocks oder auf die Kühe, Pferde und Schafe, die in friedlicher Koexistenz auf den Weiden grasen. Im Hintergrund läuten die Kirchenglocken von St. Severin den frühen Ostersonntagabend ein.
    Ich nehme dieses Idyll tief in mir auf und bin beinahe ehrfürchtig angesichts der Stille, die über der Insel liegt. Die Sonntagsspaziergänger und Besucher irgendwelcher Festivitäten sind bereits in ihre Häuser zurückgekehrt, außer uns ist niemand auf der Straße. Es ist weit und breit kein Auto in Sicht, und ausnahmsweise ist auch nichts von der Bahn zu hören. Offensichtlich trägt der Wind die Geräusche heute in eine andere Richtung. Die Luft riecht würzig nach einem Gemisch aus Meersalz und dem typischen Geruch von Landwirtschaft.
    »Bevor du vor Neugier platzt, will ich dich nicht länger auf die Folter spannen«, reißt Nele mich aus meinen Frühlingsimpressionen. »Frau Baumgarten und Alexander fanden die Skizzen bis auf die Coverillustration alle toll und haben mich sehr für meine Arbeit gelobt.«
    Aha, denke ich, als ich registriere, dass Nele von ihrem Lektor ohne den dazugehörigen Nachnamen

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