Inselzauber
nicht ganz einig darüber seid, wie die Bücherkoje geführt werden sollte?«
Fieberhaft durchforste ich mein Gedächtnis nach einem Disput mit der ersten Sortimenterin, kann mich jedoch an nichts dergleichen erinnern. Gut, wir hatten eine kleine Diskussion über die Gestaltung der Schaufenster, aber das war meines Erachtens kaum der Rede wert.
»Wie wollt ihr denn morgen die Fenster dekorieren?«, fragt Bea und pirscht sich damit an dieses offensichtlich heikle Thema heran.
»In das linke kommen Reise- und Sprachführer, in das rechte Bücher, die zu dem Motto ›Träume und Sehnsüchte‹ passen. Wieso fragst du? Hat Frau Stade irgendetwas dazu gesagt?«
»Nein, nicht direkt«, antwortet meine Tante vage. »Es ist vielmehr das, was sie NICHT gesagt hat. Du weißt doch sicher, dass die Bestückung der Schaufenster und der Thementische ihr Bereich ist?«
Ich stutze einen Moment, weil ich mir dieser Tatsache nicht bewusst war.
»Wieso dekoriert ihr das andere Fenster nicht mit Diät- und Sportbüchern, wie jedes Jahr?«, hakt Bea weiter nach.
Ich merke, wie sich mir bei den Worten »wie jedes Jahr« sämtliche Nackenhaare aufstellen. Das erinnert mich fatal an den Anzeigentext für die Kochbuchpräsentation, den ich ebenfalls nicht mochte. »Ich finde es spannender, auch mal etwas Neues auszuprobieren. Momentan hat jede Buchhandlung die gleichen Themen im Fenster. Wenn es nach mir ginge, würden wir anstelle der Reiseführer alle Titel der Inselschreiber ausstellen. Das wäre eine gute Möglichkeit, Autoren in den Mittelpunkt zu rücken, die von der üblichen Ferienlektüre abweichen, findest du nicht?«
Ich sehe meine Tante neugierig und auch ein wenig kampflustig an, weil sie sonst auch kein Fan von übertriebener Konventionalität ist.
»Meinst du wirklich, dass es einen Feriengast reizt, einen hochliterarischen Text zu lesen, wenn er doch nichts anderes will als auszuspannen und sich einfach nur berieseln zu lassen?«
»Meinst du etwa, dass ein Feriengast, der seinen Urlaub hier auf Sylt verbringt, daran interessiert ist, sich Reiseführer von anderen Urlaubszielen zu kaufen, wo er doch froh ist, endlich HIER zu sein?«, kontere ich und merke, wie immer mehr Ärger in mir hochsteigt. Hat sich Birgit Stade etwa hinter meinem Rücken über mich und meine Ideen oder gar meinen Arbeitsstil beschwert? Kann sie nicht direkt zu mir kommen, wenn sie ein Problem mit mir hat?
»Lissy, Süße, ich will mich doch gar nicht mit dir streiten. Du hast prinzipiell recht, und du weißt am besten, dass ich persönlich überhaupt nichts mit Unterhaltungsliteratur anfangen kann. Aber die Gestaltung von Schaufenstern, insbesondere während der Saison, ist eine sehr wichtige Sache. Man muss die Kunden in die Buchhandlung locken. Wenn sie erst einmal drin sind, kann man sie immer noch auf den Geschmack bringen, etwas anderes zu kaufen als das Übliche. So schön ich die Idee mit dem Traum-Motto auch finde. Aber sie ist eher etwas für eine Großstadt wie Hamburg.«
»Ich dagegen finde ehrlich gesagt, dass es allmählich mal an der Zeit ist, etwas in der Bücherkoje zu verändern«, kontere ich und bereue meine Worte sofort wieder, weil ich eigentlich keine schlafenden Hunde wecken will.
Doch nun ist es passiert, und meine Tante wird hellhörig. »Was meinst du damit?«, will sie wissen.
Zwar bin ich mir nicht ganz sicher, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, ihr zu sagen, worüber ich mir in den vergangenen Wochen den Kopf zerbrochen habe. Doch ich habe die Rechnung ohne meine Tante gemacht, die nun darauf besteht, dass ich ehrlich sage, was ich denke.
»Ich finde«, beginne ich vorsichtig mit meinen Ausführungen, »dass es einige Punkte gibt, die meiner Meinung nach optimiert werden könnten. Zum Beispiel alles, was mit Technik zusammenhängt. Ich weiß, dass du kein Fan von Computern bist, aber heutzutage geht es einfach nicht mehr ohne. Dieses System mit den Buchlaufkarten ist absolut antiquiert und vor allem ziemlich störanfällig. Ich finde, dass wir wichtige Titel viel zu häufig nicht am Lager haben, weil mal wieder die entsprechende Laufkarte verschwunden ist. Auch die Buchbestellungen könnten wir wesentlich effizienter und schneller durchführen, wenn wir sie online eingeben und nicht aufwendig per Telefon bestellen würden. Die Großhändler könnten uns einen ganzen Tag und die Verlage sogar vier Tage schneller beliefern als bisher. Das habe ich bereits in Erfahrung gebracht. Wir könnten auch dieses
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