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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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ein milder Abend, und ich atme wie immer, wenn ich am Wasser bin, tief ein, um den hinter mir liegenden Tag aus dem Kopf zu pusten. Wir gehen Richtung FKK -Strand, und ich muss grinsen, weil einige dem Körperkult Frönende nackt Beach-Volleyball spielen. Kein besonders schöner Anblick.
    »Wusstest du, dass Männer und Frauen auf Sylt erst ab 1902 zusammen baden durften?«, frage ich Marco, da er offensichtlich nicht über sein Schreiben sprechen will und stumm den Anblick des Meeres genießt. Ich kann mir vorstellen, dass die rauhe Nordsee für ihn einen reizvollen Kontrast zum lieblichen Blau des ruhigen italienischen Mittelmeers darstellt. »Und dass das Nacktbaden erst seit 1962 polizeilich erlaubt ist?«, frage ich weiter und klinge wie ein Fremdenführer. »Kann man sich kaum vorstellen, wenn man bedenkt, welchen Stellenwert FKK heute auf der Insel einnimmt.«
    »Tja, da sind wir Italiener etwas prüder«, antwortet Marco und bückt sich, um eine schneckenförmige Muschel aufzuheben. »Was ist mit dir? Wie hältst du es damit? Findet man dich im Hochsommer hier an der Buhne 16?«, erkundigt er sich dann lachend und steckt die Muschel in seine Jackentasche.
    »Nein, keinesfalls. Ich ziehe es vor, ein wenig Stoff an meinem Körper zu haben«, antworte ich und rufe nach Timo, der gerade mehr als ausgiebig an einer fremden Hundedame schnüffelt.
    »Dein Hund ist auf Brautschau«, erklärt Marco belustigt und beobachtet Timo, der sich nicht von seiner neuen Bekanntschaft trennen will.
    Den Rest der Strecke legen wir nahezu schweigend zurück, was ich als ausgesprochen angenehm empfinde, angesichts der Tatsache, dass ich sowieso den ganzen Tag mit Menschen kommuniziere. Nur ab und zu machen wir uns gegenseitig auf etwas aufmerksam oder kommentieren das frühabendliche Treiben am Strand. Nach einer Stunde strammen Marsches kehren wir zurück zum Auto.
    »Hoffentlich hast du jetzt Hunger«, sagt Marco.
    Ich nicke stumm. Das ist ja das Fatale an diesen Spaziergängen am Meer. Man geht ein paar Schritte und fühlt sich augenblicklich, als hätte man seit Tagen nichts gegessen.
    »Das ist gut«, antwortet er.
    Ein paar Minuten später halten wir jedoch nicht wie erwartet vor einem Restaurant, sondern vor einem Einfamilienhaus.
    »Alle Mann bitte aussteigen«, sagt Marco. »Hier wohne ich.«
    Erstaunt, dass ich offenbar privat bei ihm eingeladen bin, folge ich ihm ins Haus, das gemäß Kampener Tradition in völligem Kontrast zu der Bauweise der Friesenhäuschen von Keitum steht.
    Während die Häuser Keitums eher klein, reetgedeckt und von einem Garten umsäumt sind, protzt Kampen mit großen, meist rotgeklinkerten Prachtbauten, die erst kürzlich erbaut und gar nicht typisch für Sylt sind. Sie sind einander so ähnlich, dass man meines Erachtens aufpassen muss, dass man nicht aus Versehen in das Haus des Nachbarn eindringt. Drinnen gibt es keine alten Dielenböden wie im Kapitänshaus, sondern moderne Terrakottaböden, die zwar pflegeleicht sind, aber ebenso wenig zum friesischen Stil passen wie die Buchsbäume, die rechts und links vom Eingang in schwere Tontöpfe gepflanzt sind. Auch hier ziehe ich eindeutig die Variante mit den rankenden Rosen vor.
    Neugierig folge ich Marco, während Timo schnüffelnd hinter mir hertrottet.
    »Ganz schön noble Unterkunft für einen Stipendiaten«, sage ich, als ich feststelle, dass dieses Haus über mindestens zweihundert Quadratmeter Wohnfläche verfügt.
    »Finde ich auch. Ist ganz nett hier, nicht?«, antwortet Marco, der in der Küche einen Napf mit Wasser für Timo füllt. »Du möchtest sicher lieber einen Prosecco, nehme ich an?«, fragt er lächelnd.
    Ich nicke, auch wenn ich weiß, dass DAS auf nüchternen Magen sicher keine besonders gute Idee ist.
    »Komm, ich zeig dir alles«, sagt Marco, während er mir ein Glas in die Hand drückt.
    Auf einmal komme ich mir ein wenig vor, als hätte ich es mit einem Makler zu tun, der seine Kundin mit Hilfe von Alkohol in Stimmung bringen möchte, eine völlig überteuerte Villa zu kaufen. »Ich bin beeindruckt«, erkläre ich, als wir nach der Besichtigung im Esszimmer angelangt sind.
    »Magst du Brahms?«, erkundigt sich Marco und macht sich am CD -Player zu schaffen.
    Sofort muss ich an das Buch
Lieben Sie Brahms?
von Françoise Sagan denken, mit dem kleinen Unterschied, dass die Protagonistin in der Verfilmung von Ingrid Bergman gespielt wird, die ein Verhältnis mit dem wesentlich jüngeren Anthony Perkins, einem Pianisten, hat.

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