Inselzauber
Marco und ich sind dagegen ungefähr gleich alt, ich stamme nicht aus Schweden, und wir steuern mit Sicherheit nicht darauf zu, ein Liebespaar zu werden. Oder etwa doch?
Während die Klänge des Klaviers den Raum füllen, macht Marco sich in der Küche zu schaffen. »Eintritt und jede Form von Hilfe verboten«, sagt er und zwingt mich praktisch, den Aperitif auf der Terrasse zu nehmen.
Es wundert mich nicht, dass der Garten wirkt, als hätte man den Rasen mit der Nagelschere geschnitten, und dass sich jede noch so kleine Pflanze exakt dort befindet, wo der Gartenarchitekt sie haben wollte. Wir müssen unbedingt schöne Möbel für das Büchernest kaufen und sie draußen aufstellen, und Töpfe, die ich am liebsten eigenhändig bepflanzen möchte. Vielleicht können wir uns sogar einen Strandkorb leisten oder zumindest den aus Beas Garten umsiedeln, überlege ich, inspiriert durch den Anblick des Gartens, und trinke meinen Prosecco ziemlich zügig. Je mehr ich trinke, desto farbiger male ich mir alles aus, und ehe ich es mich versehe, habe ich die Hälfte der Flasche allein geleert.
»Du scheinst durstig zu sein«, sagt Marco und lächelt, als er mich zum Essen ruft.
Ich lasse Timo draußen, weil er es sich dort unter einem Rhododendronbusch gemütlich gemacht hat und ich ihn nicht in seinem Idyll stören will. »Das duftet verführerisch«, lobe ich den Koch, während ich am Esstisch Platz nehme.
»Pasta alla Mamma«, betitelt Marco die Nudeln, die er mir auf den Teller füllt. »Eine Spezialität aus Mailand.«
Ich bin beeindruckt. Nicht nur die Pasta sieht ausgesprochen köstlich aus und duftet auch so, sondern auch der Salat, den Marco gezaubert hat.
»Als Dessert gibt es Panna Cotta. Ebenfalls selbstgemacht!«, sagt er stolz und füllt unsere Gläser mit blutrotem Wein. »Oder willst du erst noch dem Prosecco den Garaus machen?«, fragt er und schenkt mir nach, weil ich seinen Vorschlag bejahe.
»Du bist wirklich ein exzellenter Koch«, schwärme ich und gebe mich dem Essen mit großem Genuss hin.
»Darauf hat meine Mutter großen Wert gelegt«, erklärt Marco. »Bei einer typisch italienischen Mamma wüsste ich mit Sicherheit heute nicht mal, wie man ein Ei kocht oder Kartoffeln schält. Aber als Deutsche wollte meine Mutter immer, dass ich mich in Haushaltsdingen auskenne, und ehrlich gesagt bin ich auch ganz froh, dass dem so ist. Ich esse nämlich unheimlich gern und habe weder die Lust noch das Geld, ständig in Restaurants zu gehen.«
Ich nicke und kämpfe ein wenig mit der Wirkung des Alkohols. Das Ganze klingt so, als hätte Marco keine Freundin, mit der er zusammenlebt oder die ihn gelegentlich liebevoll bekocht. Merkwürdig. Ein Mann wie er kann sich bestimmt kaum vor Frauen retten, sinniere ich und spreche dem Rotwein zu. Ich freue mich, dass Neles Probleme sich vielleicht bald lösen und es Leon wieder bessergeht. Darüber, dass Paula mit mir schwimmen gehen möchte (ich habe mit Tanja besprochen, dass ich sie morgen um 15.00 Uhr abhole), meine Tante wieder auf dem Weg der Besserung ist und ich hier mit einem netten Mann sitze, der für mich kocht. Ich bin auf einmal derart beglückt, dass ich die ganze Welt umarmen möchte. Als Marco aufsteht, um eine neue CD einzulegen, habe ich den Eindruck, leicht angeheitert zu sein, was mich aber nicht weiter stört, und lächle still vor mich hin.
»Hör mal, eine Einstimmung auf deine Reise nach Venedig«, sagt er. »Diese CD ist anlässlich der Fiesta Venezia auf dem Markusplatz aufgenommen worden«, erklärt er, während erste Akkordeon- und Tangoklänge den Raum füllen. »Hast du vielleicht Lust zu tanzen?«, fragt er dann und zieht mich, ohne eine Antwort abzuwarten, vom Stuhl.
»Ich kann doch gar nicht tanzen«, protestiere ich, nur um Sekunden später in Marcos Armen zu liegen und mich – einer Puppe gleich – von ihm führen zu lassen.
Ich schnuppere sein Aftershave, sehe in seine dunkelbraunen Augen, und plötzlich dreht sich alles um mich. Wie durch Watte höre ich in der Ferne mein Handy klingeln und später den Eingang einer SMS . Ist mir jetzt alles egal, wird schon nicht so wichtig sein, denke ich und schwebe mit meinem Tanzlehrer durch den Raum. Vergessen ist Kampen, vergessen ist Sylt. Ich bin in Venedig, der Stadt meiner Träume. Es ist dunkle Nacht, der Markusplatz wird nur durch ein paar Fackeln erhellt, im Hintergrund plätschert leise der Canal Grande, und das Orchester spielt nur für mich allein.
»Geht es dir gut?«, sagt
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