Inselzirkus
Vertraulichkeiten, die sie am Vortag noch genossen hatte, nicht erneut aufkommen zu lassen.
Beate, Kristin und Heidi merkten nichts davon. Sie steckten die Köpfe zusammen, um sich im Flüsterton verständigen zu können, und Heidi informierte Mamma Carlotta über die neuesten Absprachen. »Könnte ja sein, dass dein Schwiegersohn auf uns aufmerksam wird. Oder auf eine von uns.«
Mamma Carlotta sah sie erschrocken an. »Perché?«
Heidi hob theatralisch die Hände. »Vielleicht, weil uns einer gesehen hat! Ist ja auch egal! Jedenfalls sind wir fein raus, wenn wir uns gegenseitig ein Alibi geben. Dann kann uns keiner was.« Sie bedachte Mamma Carlotta mit einem schlauen Blick. »Du möchtest sicherlich auch nicht, dass dein Schwiegersohn dahinterkommt, was wir letzte Nacht gemacht haben, oder?«
Auf diese Frage wollte Mamma Carlotta lieber nicht antworten. Die Vorstellung, von Erik als Böses Huhn entlarvt zu werden, das geholfen hatte, dem Chefautor die Hose auszuziehen und ihn in einen Schrank zu sperren, rangierte in ihrer persönlichen Liste der Katastrophen direkt hinter Erdbeben und Feuersbrunst und noch vor einer unehelichen Schwangerschaft ihrer jüngsten Tochter. Trotzdem versuchte sie, mit einem würdevollen Blick zu signalisieren, dass sie notfalls zu ihren Verfehlungen stehen würde. Aber natürlich nur dann, ergänzte sie heimlich für sich, wenn es sich absolut nicht umgehen lieÃ.
Beate mischte sich ein. »Wir waren zusammen am Strand spazieren. Das sagen wir, wenn uns jemand fragen sollte. Und wenn wir das alle steif und fest behaupten, kann uns niemand das Gegenteil beweisen.«
Kristin, die Mamma Carlottas Zögern spürte, ergänzte: »Wir sind unschuldig an Harrys Tod! Sollen wir für etwas bestraft werden, das wir nicht getan haben?«
Mamma Carlotta nickte langsam und sagte: »Und wenn es eine von euch gewesen ist, hat sie ebenfalls ein Alibi, und nichts kann ihr nachgewiesen werden.«
Sören hatte seinem Chef kurzerhand den Autoschlüssel aus der Hand genommen. »Es ist besser, wenn ich fahre.«
Erik fragte ihn nicht, warum er dieser Ansicht war, er war zufrieden damit, dass er sich auf dem Nachhauseweg nur um die beiden Todesfälle und nicht zusätzlich um lästige Verkehrsvorschriften kümmern musste. »Diese Stalkerin bildet also die einzige Verbindung zwischen dem Mord an Max Triebel und dem Tod des Chefautors«, sagte er, während er ins Auto stieg.
»Immerhin!«, versuchte Sören seinen Chef aufzumuntern, der seit Sandra Zielckes Besuch immer unleidlicher geworden war. Weil sie wie Bruce Markreiter zu denen gehörte, die sich über den Dünenschutz hinwegsetzten? Erik wusste es selbst nicht genau. Vielleicht war es auch nur seine Hilflosigkeit, weil er spürte, dass ihm die Arbeit an den beiden Todesfällen über den Kopf wuchs.
»Wir müssen die Stalkerin nur noch finden!« Sören tat so, als stünde ihnen eine lustige Schnitzeljagd bevor. »Das dürfte nicht allzu schwer sein. Wir setzen jemanden auf Bruce Markreiter an, und schon haben wir sie. Wenn sie ihm heute folgt, wird sie es auch morgen tun.« Er warf seinem Chef einen Blick zu und stellte fest, dass dessen Laune sich trotz dieser Aussicht nicht hob. »Vorher haben wir überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen erkennen können! Jetzt sehen wir einen. Das ist doch schon was!«
Aber Erik schüttelte den Kopf. »Was ist das für ein Zusammenhang? Den einen erledigt sie auf die Schnelle, indem sie ihm eine Pistole an den Kopf setzt. Und dem anderen zieht sie die Hose aus, sperrt ihn in einen Schrank und sorgt dafür, dass er nicht wieder rauskommt! Warum hat sie Harry Jumperz nicht auch mit der Pistole erledigt? Nein, das ist kein Zusammenhang! Es gibt nur ein Motiv, das auf beide Fälle zutrifft, mehr nicht.«
Nun wusste er, woher seine schlechte Laune kam. Sandra Zielckes Aussage hatte ihm für wenige Augenblicke die Illusion vermittelt, ein Stück weitergekommen zu sein. Aber dann war ihm umso deutlicher geworden, dass der eine Fall nicht zum anderen passte. Daraufhin war ihm sogar der entsetzliche Gedanke gekommen, dass er zwei Mörder suchte und in zwei Mordfällen ermittelte, die nichts miteinander zu tun hatten. Vermutlich wäre es vernünftig, die Staatsanwältin um die Bildung einer Sonderkommission zu bitten. Aber das Eingeständnis,
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