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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Graffitischmierereien verunstaltet worden, und das Gerümpel, das Tove Anfang des Jahres entfernt hatte, sammelte sich nun bereits wieder an einer Hausecke. Und die Fenster waren so lange nicht geputzt worden, dass niemand, der durch die Tür trat, ein gepflegtes Ambiente erwartet hätte.
    Dem Wirt war bisher der Zusammenhang zwischen seinen finanziellen Schwierigkeiten und seiner mangelnden Freundlichkeit noch nicht aufgegangen: Tove Griess behandelte jeden Gast wie einen unerwünschten Eindringling, betrog ihn ums Wechselgeld, drehte Kindern angebrannte Würste an und den Kunden, die auf dem Weg zum Autozug waren, den Kartoffelsalat, der das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hatte. Er war ständig in Geldverlegenheit und zu jeder krummen Tour bereit, die etwas einbrachte. Und da er außerdem zur Gewalttätigkeit neigte und seine Überzeugung gern mit den Fäusten verteidigte, gehörte er zu Eriks besten Kunden. Die Gefängniszelle im Polizeirevier Westerland kannte er so gut wie kein anderer Sylter. Sogar noch besser als sein einziger Stammgast, der ein inselbekannter Spanner war und deswegen ebenfalls häufig aufs Polizeirevier geladen wurde, weil es mal wieder eine Anzeige gegeben hatte. Fietje Tiensch war schon so oft vor fremden Schlafzimmerfenstern erwischt worden, dass er sogar um seinen Posten als Strandwärter bangen musste. Noch ein einziger empörter Feriengast, und es würde ihm so gehen wie Busso Heinemann.
    Mamma Carlotta stieß kräftig die Tür auf, obwohl der Wirt sie schon mehrmals gebeten hatte, es wie eine Friesin zu halten und seine Imbissstube so bedächtig zu betreten, dass ihm nicht vor Schreck ein Glas aus der Hand oder eine Wurst aus der Grillzange rutschte.
    Aber wenn eine Italienerin mit guten Nachrichten erschien, konnte sie sich nicht unauffällig in den Raum drücken! Mamma Carlotta erschien in Käptens Kajüte wie ein Herbststurm im Frühling. Trotzdem war sie sicher, willkommen zu sein. Tove würde sich freuen, wenn er von der Neuigkeit hörte.
    Zunächst sah es allerdings nicht danach aus. Mamma Carlotta, die sich etwas darauf zugutehielt, dass Tove Griess bei ihrem Eintritt gelegentlich so etwas wie ein Grinsen hervorbrachte und dass der Strandwärter Fietje Tiensch dann den Blick aus seinem Jever nahm und sogar aufrichtige Freude zeigte, wurde diesmal enttäuscht. Der Wirt stand hinter der Theke wie ein Käpten, der soeben eine Meuterei niedergeschlagen und ihren Anführer über Bord geworfen hatte. Und Fietje Tiensch, der seine komplette Freizeit in Käptens Kajüte verbrachte, hockte da, als wäre ihm vorgeworfen worden, an der Meuterei beteiligt gewesen zu sein.
    Auf Mamma Carlottas »Buongiorno« kam nicht mal ein mürrisches »Moin« zurück. Fietje Tiensch wagte erst ein kleines Lächeln, als Tove ihm den Rücken zuwandte.
    Â»Che c’è?«, fragte Mamma Carlotta vorsichtig, der angesichts dieser Ungastlichkeit die deutschen Sprachkenntnisse versagten. »Was ist los?«, wiederholte sie, als sie auf einem der Barhocker saß, an die sie sich eigentlich gewöhnt hatte, die ihr aber nun so unbequem erschienen wie bei ihrem allerersten Besuch in Käptens Kajüte. Sie wagte nicht, einen Espresso zu ordern, und erst recht nicht den Rotwein aus Montepulciano, den Tove ihr häufig mit den Worten kredenzte: »Geht aufs Haus!«
    Damit war an diesem Tag nicht zu rechnen. Und der Espresso würde entweder wie Ochsenschwanzsuppe aussehen oder zu sofortigen Kreislaufbeschwerden führen.
    Als das Schweigen lange genug auf ihr gelastet hatte, versuchte sie es noch einmal: »Ist jemand gestorben?«
    Tove fuhr zu ihr herum, fürchterlich anzusehen mit der rot besudelten Schürze, der Grillzange in der einen und der großen Gabel in der anderen Hand. Obwohl Mamma Carlotta wusste, dass die roten Flecken vom Ketchup herrührten, lehnte sie sich nicht bequem auf die Theke, wie sie es sonst tat, sondern versuchte, den Abstand zu dem übel gelaunten Wirt so groß wie möglich zu halten.
    Â»Beinahe!«, fuhr er Mamma Carlotta an. »Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte den Kerl auf den Grill gesetzt!«
    Mamma Carlotta wusste, dass jetzt Fingerspitzengefühl gefordert war. Eine falsche Bemerkung, und Tove würde den Rotwein aus Montepulciano in den Ausguss kippen und ihn unter ihren Augen von der fettglänzenden Karte streichen, die seit

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