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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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behäbig saß sie da, ihr schütteres Haar plusterte sich unvorteilhaft über den Ohren auf, ihre Augen waren klein und blass. Aber ihr freundlicher Blick und ihr sanftes Lächeln verliehen ihr trotzdem eine positive Ausstrahlung.
    Erik zeigte ihr seinen Dienstausweis und erklärte: »Wir müssen Herrn Markreiter sprechen. Es ist dringend! Hält er sich hier irgendwo auf?«
    Â»Ja, er ist noch hier«, antwortete Tanja Möck. »Entweder in seinem Wagen oder in der Kantine.«
    Sie schien zu hoffen, dass er sich mit dieser Auskunft zufriedengeben und nun zielstrebig losgehen würde. Aber dann wurde ihr klar, dass sie nicht darum herumkam, sich zu erheben und die beiden Polizeibeamten zu begleiten. Obwohl sie augenscheinlich lieber sitzen geblieben wäre, wirkte sie dennoch nicht unfreundlich, als sie vor Erik und Sören mühsam aus dem Bürowagen kletterte. Erik wartete, bis Tanja Möck sicher auf der Erde angekommen war, erst dann sagte er: »Ich würde auch gern Herrn Eidam sprechen. Ist das möglich?«
    Tanja Möck schüttelte den Kopf. »Er ist nicht auf Sylt, er ist in Hamburg geblieben.« Erklärend setzte sie hinzu: »Hamburg ist der Sitz unserer Produktionsgesellschaft. Dort wird ›Liebe, Leid und Leidenschaft‹ normalerweise gedreht. Hier auf Sylt produzieren wir nur einen Handlungsstrang. Den mit Bruce Markreiter.«
    Erik sah sich ein weiteres Mal staunend um. »So ein Aufwand für einen einzigen Handlungsstrang?«
    Tanja Möck lächelte. »Kaum ein Fernsehzuschauer macht sich ein Bild von dem Aufwand, den Fernsehaufnahmen erfordern.«
    Â»Hat Herr Eidam einen Vertreter hier auf Sylt?«
    Tanja nickte. »Unser Chefautor Harry Jumperz trifft alle Entscheidungen.«
    Â»Dann würde ich auch mit ihm gerne reden.«
    Ãœber den Platz kam ein junger Mann, der sich eine marmorne Blumensäule aufgeladen hatte, die er so leichtfüßig trug, dass sofort klar war: Sie musste aus Pappmaschee bestehen.
    Â»Die würde gut in mein neues Wohnzimmer passen«, raunte Sören seinem Chef zu. »Vor allem wäre sie leicht in die nächste Wohnung zu transportieren. Für den Fall, dass ich irgendwann noch mal umziehe.«
    Tanja hielt den Kulissenarbeiter auf. »Weißt du, wo Bruce ist?«
    Der junge Mann nickte zur Kulissenhalle. »Der ist in die Kantine gegangen. Hat irgendwas mit Harry zu besprechen.«
    Erik hielt Tanja Möck zurück, die ihm vorausgehen wollte. »Wäre nicht ein anderer Ort besser für ein Gespräch geeignet? Sie hatten heute ein Casting. Wahrscheinlich sitzen die neuen Komparsen noch in der Kantine?«
    Tanja schüttelte den Kopf. »Nein, die sind alle weg.«
    Â»Wirklich alle?«
    Â»Ja, alle!« Sie öffnete die Eingangstür der Halle und ließ die beiden Beamten eintreten.
    Erik seufzte heimlich. Hoffentlich hatte Tanja Möck recht. Er mochte sich nicht vorstellen, wie seine Autorität untergraben würde, wenn er in der Kantine laut jubelnd von einer euphorisierten Italienerin begrüßt würde. Da er damit rechnen musste, dass sein eigener Alkoholkonsum einem geübten Auge nicht verborgen bleiben würde, konnte sich im Nu herumsprechen, dass Erik Wolf betrunken seinen Dienst verrichtete, während seine Schwiegermutter ebenso angeheitert mit dem Mordverdächtigen ihre erste Sprechrolle feierte. Dann fehlte nur noch der Chefredakteur des Inselblattes, der das Ganze in Wort und Bild festhielt!

    Mamma Carlotta stellte das Fahrrad ab und betrachtete Käptens Kajüte mit prüfendem Blick. Als sie im Februar zum Biikebrennen auf die Insel gekommen war, hatte Tove Griess, der Wirt, mit der Renovierung seiner Imbissstube begonnen, die Arbeiten jedoch wegen Geldmangels bald wieder einstellen müssen. Seitdem sah die Fassade von Käptens Kajüte freundlicher aus, sodass man bei Eidam-TV womöglich nicht an eine Kaschemme glauben mochte. Aber Mamma Carlotta war zuversichtlich. Sobald man über die Schwelle trat, würde jedermann bestätigt bekommen, dass es sich hier um eine Bettola handelte, eine dunkle Höhle mit düsteren Wänden, holzvertäfelter Decke und einem olivgrünen Steinboden. Keine frische Farbe gab es, kein freundliches Accessoire und nichts, was nicht wie Frittierfett glänzte und wie Frittierfett roch.
    Im Übrigen hatte der weiße Anstrich der Fassade bereits gelitten, war mit zwei, drei

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