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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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auf und klammerte sich an die Theke, während er der Verkäuferin erklärte, dass er das Brot abholen wolle, das seine Frau bestellt habe. »Meine Schwägerin hat heute auch Geburtstag. Da muss ich jetzt hin.«
    Mamma Carlotta wunderte sich darüber, dass Mierendorf trotz der Aussicht auf ein Familienfest nicht besonders glücklich aussah. Aber als ihm das Portemonnaie hinunterfiel und er bei dem Versuch, die Münzen einzusammeln, beinahe kopfüber auf dem Boden der Bäckerei gelandet wäre, wurde ihr klar, dass dem Polizeimeister eine schwere Prüfung bevorstand.
    Â»Als Polizist hat man ja selten pünktlich Feierabend«, begann sie diplomatisch. »Wenn auf Sylt was passiert, sind Sie im Einsatz. Dafür hat Ihre Schwägerin sicherlich Verständnis.«
    Enno Mierendorf versuchte, die drei Brote auf seinen beiden Armen unterzubringen. Das war ihm gerade gelungen, da begriff er, was die Schwiegermutter von Hauptkommissar Wolf ihm zu verstehen geben wollte. Über sein Gesicht ging ein Lächeln. »Stimmt! Wir haben einen neuen Fall! Ein Mord am Hafen von List!«
    Mamma Carlotta nahm ihm ein Brot ab und zog ihn zur Tür. »In List, sagen Sie? Will mein Schwiegersohn etwa mit dem Fahrrad bis nach List fahren?«
    Mierendorf war sicher, dass sein Chef einen Streifenwagen genommen hatte. Aber gerade in diesem Augenblick ging Kristin Pölzer am Schaufenster der Bäckerei vorbei, und Mamma Carlotta fand keine Zeit, der Ungereimtheit auf die Spur zu kommen. Sie riss die Tür auf und jubelte so laut, dass der Verkäuferin eine Praline, die sie gerade mit einer zierlichen Zange auf ein Tablett legen wollte, in die Schwarzwälder Kirschtorte fiel.
    Kristin war stehen geblieben und warf einen langen Blick durch die geöffnete Tür. »Ist das diese Kaschemme, von der du erzählt hast, Carlotta?«
    Die Tür der Bäckerei wurde so heftig ins Schloss geworfen, dass Mierendorf, der noch auf der oberen Stufe stand, einen Stoß in den Rücken erhielt, auf den Bürgersteig taumelte und Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Eine Verwünschung folgte ihm, die zum Glück durch die geschlossene Tür nicht zu verstehen war.
    Mamma Carlotta sah durch die Scheibe, dass der Bäcker aus der Backstube kam, um sich zu erkundigen, was seine Verkäuferin derart in Rage gebracht hatte. Nun war ihre Stimme sogar durch die geschlossene Tür zu verstehen: »Der Kerl ist besoffen, und diese italienische Signora nennt unsere Bäckerei eine Kaschemme!«

    Erik ärgerte sich über den Zaun, der das Gelände umschloss, über die Schranke und vor allem über den Wachdienst. Wie konnte ihm jemand, der seine Insel kaum kannte, Zutritt verwehren zu einem Teil von Sylt, der den Syltern gehörte, und nicht irgendwelchen Fernsehfritzen, die die Schönheiten der Insel für sich nutzten? Aber er merkte schnell, dass er ungerecht war. Natürlich mussten die Kulissen von »Liebe, Leid und Leidenschaft« vor Neugierigen geschützt werden und die Schauspieler auch.
    Erik suchte gerade in der Innentasche seiner Jacke nach dem Dienstausweis, um ihn dem Wachdienst zu zeigen, da sah er den Mann, der neben der Schranke auf der Erde kauerte. »Busso Heinemann! Sie sind immer noch auf Sylt?«
    Â»Wo soll ich sonst hin, Herr Hauptkommissar? Auf Sylt kenne ich mich aus. Hier gibt’s Leute, die mir gelegentlich helfen.«
    Â»Sie mussten aus Ihrer Wohnung raus, als der Job weg war?«
    Busso setzte ein reumütiges Gesicht auf. »Der verdammte Fusel! Ist das nicht eigentlich eine Krankheit, Herr Hauptkommissar? Ich kann nicht anders! Ohne Schnaps kriege ich nichts auf die Reihe. Aber komisch … bei mir sagt keiner, ich bin alkoholkrank. Bei mir sagen alle, ich saufe.«
    Erik fühlte sich immer noch nicht stark genug, um sich auf eine Diskussion über den Schaden einzulassen, den übermäßiger Alkoholgenuss anrichtete. Und er wollte Busso Heinemann auch nicht daran erinnern, dass er seine Pflichten als Strandwärter sträflich vernachlässigt hatte, weil er sich mehr um seine Kömflasche als um die Sicherheit an Buhne 16 gekümmert hatte. Als dann beinahe jemand ertrunken war, ohne dass Busso die Gefahr erkannt hatte, war Schluss gewesen: Busso hatte seine Kündigung erhalten. Warum er dann auch seine Wohnung verloren hatte, wusste Erik nicht. Vermutlich, weil er sein ganzes Geld in Alkohol investiert hatte und

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