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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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habe. »Kennen Sie den Toten? Oder Bruce Markreiter?«
    Aber die Referendarin winkte erschrocken ab. »Einen Schauspieler? Nein, mit dieser Scheinwelt will ich nichts zu tun haben.«
    Â»Scheinwelt! Das sagt mein Schwiegersohn auch!«
    Aber da Alina Olsted trotzdem Interesse daran hatte, gab Mamma Carlotta bereitwillig alles weiter, was sie in dieser Scheinwelt erlebt hatte. Jedenfalls all das, was die Schwiegermutter eines Hauptkommissars erzählen durfte, die sich genauso dem Gesetz verpflichtet fühlen musste wie ihr Schwiegersohn. Verdächtigungen musste sie also leider für sich behalten und ließ unerwähnt, dass sie eine der Schauspielerinnen für eine Spionin hielt, die ihre Rolle nutzte, um etwas über Bruce Markreiter herauszubekommen, was sie dann einer Zeitung in die Hände spielte. Natürlich einer, die ihr viel Geld dafür zahlte! Ob Sandra Zielcke nun fürchtete, dass es ihr ebenso ergehen könnte wie dem Journalisten, der mit einem Loch im Kopf im Hafen von List gelandet war? Eine interessante Frage, aber Mamma Carlotta wagte nicht, sie auszusprechen. Auch was sie von dem Chefautor hielt, schluckte sie herunter. Erst recht verriet sie natürlich kein Sterbenswörtchen von dem, was sich in der vergangenen Nacht in der Kulissenhalle abgespielt hatte. Aber zum Glück blieb noch eine Menge zu erzählen übrig.
    Leider war Alina Olsted an ihrer kleinen Sprechrolle bei Weitem nicht so interessiert, wie sie gehofft hatte. Sie unterbrach sogar Mamma Carlottas weitschweifige Erzählungen und kam auf den Mordfall zurück. Und als sie einsah, dass sie von Mamma Carlotta nichts erfahren würde, was sie selbst noch nicht wusste, machte sie Anstalten, sich zu verabschieden.
    Selbstverständlich ließ Mamma Carlotta sie nicht gehen, ehe Alina Olsted von ihrer Familie in Umbrien erfahren hatte, von den Lebensläufen ihrer Kinder, der langen Krankheit ihres Mannes und dem Schmerz, als ihre Tochter Lucia einem deutschen Touristen in dessen kalte Heimat gefolgt war. Und dass Alina Olsted sich mit der Schilderung ihrer eigenen Lebensumstände zu revanchieren hatte, war für Mamma Carlotta genauso selbstverständlich.
    Â»Lebt Ihre Familie auf Sylt? Ihre Eltern, Ihre Geschwister? Oder sind Sie wegen Amore nach Sylt gekommen?«
    Alina Olsted ließ erste Anzeichen von Ungeduld erkennen. Sie entfernte sich bereits mit winzigen Rückwärtsschritten, während sie antwortete, dass ihre Mutter auf Sylt geboren sei. »Aber sie ist dann nach Berlin gegangen, wo ich auf die Welt kam und aufgewachsen bin.« Sie lachte. »Eine waschechte Berliner Jöre!«
    Â»Und nun sind Sie zu la mamma nach Sylt zurückgekehrt? Che bello!«
    Alina Olsted kramte ihre Geldbörse aus der Tasche, damit es später beim Bäcker schneller ging. »Nein, meine Mutter lebt nicht mehr. Aber sie liegt hier begraben.«
    Â»In Wenningstedt? Wo auch meine Lucia ihr Grab hat? Dann könnten wir ja mal gemeinsam …«
    Aber diesen Satz wollte Alina Olsted nicht vollendet wissen. Mit freundlichen Worten unterbrach sie Mamma Carlotta, wünschte ihr einen schönen Tag und versicherte, dass ihre Enkel zu den nettesten Kindern der Schule zählten und sie Carolins Interesse an der großen Literatur unbedingt weiter fördern wolle. Dann lief sie in Richtung Bäckerei davon.
    Mamma Carlotta bedauerte ihre Eile, hatte aber vollstes Verständnis. Eine Lehrerin musste pünktlich zur ersten Unterrichtsstunde vor ihre Klasse treten! Sicherlich würde man sich demnächst bei der Grabpflege wiedersehen. Dann würde sich bestimmt die eine oder andere Gelegenheit ergeben, der Referendarin von Eriks Ermittlungen zu erzählen. Mamma Carlotta hatte auch dem Lehrer ihres Ältesten hinter vorgehaltener Hand einiges verraten, zum Beispiel dass ihr Onkel, der eine Sargtischlerei besaß, auf alle Särge fünfundzwanzig Prozent aufschlug, damit er auch dann noch auf seine Kosten kam, wenn die trauernden Hinterbliebenen ihm einen Nachlass von fünfundzwanzig Prozent abgeschwatzt hatten. Als die Mutter des Lehrers starb, war er sehr dankbar dafür gewesen. Und dass Guido am Schuljahresende haarscharf die Versetzung in die nächste Klasse geschafft hatte, hielt Mamma Carlotta nicht für einen Zufall.
    Hochzufrieden trug sie die Brötchentüte nach Hause. Dem netten Geplauder mit Alina Olsted war zu verdanken, dass die bedrückende

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