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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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das! Erik und Sören, Mamma Carlotta, sogar Felix verschlug es die Sprache. Carolin war ganz in tragisches Schwarz gekleidet, schwarze Hose, schwarzer Rollkragenpullover, darüber eine schwarze Weste. Sogar ihre Augen hatte sie schwarz umrahmt. Bei einem jungen Mädchen, das sich bis dahin mit dekorativer Kosmetik schwergetan hatte, eine Sensation.
    Mamma Carlotta fand als Erste ihre Sprache wieder. »Ist was passiert, Carolina?«
    Ihre Enkelin schob sich mit einer so ausdrucksvollen Geste einen schwarzen Haarreif auf den Kopf, dass Erik an Bruce Markreiter erinnert wurde. Anscheinend gehörten diese großen Gesten zu allen Schauspielern. Auch zu denen, die es werden wollten.
    Â»Was soll schon sein?«, fragte Carolin aufreizend gleichgültig.
    Â»Du siehst aus, als wolltest du zu einer Beerdigung.«
    Â»Sie will Schauspielerin werden«, erinnerte Felix. »Die sehen entweder aus wie Paradiesvögel oder wie Nebelkrähen.«
    Carolin warf ihrem Bruder einen Blick zu, als überlegte sie sich, ob sie an einen Banausen wie ihn überhaupt das Wort richten wolle. Dann sagte sie sehr langsam und betont: »Mein Herr, Ihre Irrung ist sehr zu vergeben und Ihre Verwunderung sehr natürlich.«
    Felix starrte seine Schwester mit offenem Munde an. »He?«
    Carolin griff nach einem Brötchen und schnitt es auf. Ohne ihren Bruder anzusehen, fuhr sie fort: »O, ersticken Sie dieses Lachen! Wenn Sie an Tugend und Vorsicht glauben, so lachen Sie so nicht.«
    Erik begriff, dass er nicht nur mit seiner Tochter, sondern auch mit Minna von Barnhelm am Tisch saß, und gab sich Mühe, freundlich und verständnisvoll zu reagieren. »Das Schwarz steht dir gut. Mal was anderes.«
    Mamma Carlotta pflichtete ihm augenblicklich bei, weil sie niemals etwas sagen würde, was ein Enkelkind kränken könnte. Wenn Carolin glaubte, dass sie hübsch aussah, wenn sie sich kleidete wie eine italienische Witwe, dann durfte man ihr den Mut nicht nehmen. Das Selbstbewusstsein einer Heranwachsenden war ja so leicht zu erschüttern! Außerdem hatte sie an ihrer Enkelin etwas gutzumachen und hätte selbst dann anerkennende Worte gefunden, wenn Carolin sich mit frisch gepiercter Unterlippe an den Tisch gesetzt hätte.
    Felix winkte ab. »Auf jeden Fall besser als beigefarbene Socken und braune Halbschuhe. Bisher hast du total uncool ausgesehen. Jetzt kann man sich endlich mit dir auf der Straße blicken lassen. Geil!«
    Nun konnte Carolin sogar lächeln, wie Minna von Barnhelm gelächelt haben mochte, als Major von Tellheim ihr ein Kompliment machte. »Du hast auch endlich gemerkt, dass dein blödes Käppi total bescheuert aussieht.«
    Als seine Schwiegermutter ansetzte, beide Kinder mit vielen Worten zu bestätigen, ging Erik dazwischen: »Kann mir einer von euch sagen, warum der Chefautor von ›Liebe, Leid und Leidenschaft‹ so merkwürdig reagiert hat, als ich gestern zu ihm kam? Der ist auf mich los, als wollte ich ihm was.«
    Carolin fuhr so plötzlich in die Höhe, dass Erik vor Schreck das Brötchen aus der Hand rutschte: »Du warst bei dem Chefautor? Hast du einen Schuss?«
    Ehe Erik sich diese Formulierung verbitten konnte, war Carolin schon aufgesprungen und ging auf ihre Großmutter los. »Musst du Papa sofort alles petzen? Du bist wirklich das Letzte! Ihr seid beide das Letzte!«
    Sie sah aus, als wollte sie ihrer Großmutter das Marmeladenbrötchen vor die Füße werfen, entschied sich dann aber doch für ihren Teller, auf dem das Brötchen derart heftig aufschlug, dass es nach einem halben Überschlag mit der Marmeladenseite auf der Tischdecke landete. »Meine Oma macht den Chefautor an, und mein Vater lässt sogar den Bullen raushängen! Das ist ja so was von superpeinlich!« Mit zwei Schritten war sie an der Tür. »Wenn ich achtzehn bin, ziehe ich aus und gehe zum Theater!«
    Carolin ließ die Tür donnernd ins Schloss fallen.
    Â»Carolina! Dein Kakao!«, rief Mamma Carlotta ihr nach.
    Â»Den kannst du dir in die Haare schmieren!«, kam es aus der Diele zurück.
    Mamma Carlotta griff sich erschrocken in die Locken. »Was ist nur mit Carolina los?«, fragte sie Erik, der darauf nichts zu sagen wusste. »So hat sie noch nie mit mir geredet.«
    Â»Und noch nie so schnell und so viel auf einmal«, staunte Erik, der bis zu diesem Zeitpunkt glücklich darüber gewesen war,

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