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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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unebenen Mauerrand auf uns zukam, beschleunigte seine Schritte. »Wir müssen sofort weg, Khalid. Sonst werden wir verhaftet.«
    »Ich schaffe es nicht. Ich kann mich nicht bewegen, Zulaikha. Ich kann nicht.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe, holte tief Luft, schickte ein Stoßgebet zu Allah, dann lief ich mit raschen Schritten zu meinem Bruder. Dort duckte ich mich, weil ein Windstoß mich fast von der Mauer geweht hätte. »Es ist egal, ob du hier oder vorn auf unserem Hof stehst, Khalid. Hier ist es nur höher. Steh jetzt auf, sonst muss ich dich hochziehen.«
    Er hockte da und schüttelte weinend den Kopf. Aber als ich nach ihm griff, erhob er sich auf zittrigen Beinen. Dann wich er einen Schritt zurück und trat auf einen wackeligen Stein. Er schwankte und versuchte entsetzt, wieder festen Halt zu finden.
    »Khalid! Lass das!«
    Sein rechter Fuß rutschte ab. Er ruderte kreischend mit den Armen. Ich stolperte los, packte seinen Arm, zog ihn hoch und rannte über den Übergang aus Lehmziegeln. Auf dem nächsten Turm warf ich mich gemeinsam mit ihm auf den Boden.
    »Hierher, Kinder! Aber sofort!« Der Polizist war nur noch zwei Türme entfernt, und er kam schnell näher.
    Khalids Augen waren geweitet, er keuchte. Er sah erst zum Polizisten, dann zu mir.
    »Wir müssen abhauen«, sagte ich.
    Wir sprangen auf und liefen auf der Mauer davon, wobei wir Ausschau nach einem abwärts führenden Weg hielten. Khalid blieb plötzlich stehen und zeigte auf einen großen Spalt in der Mauer. »Da klettern wir runter.«
    »Du zuerst«, forderte ich ihn auf.
    Khalid legte sich auf den Bauch und glitt zu dem schmalen Pfad hinab. Ich folgte ihm sofort. Als ich hinter der Mauer verschwand, sah ich noch, wie der Polizist über den schmalen Übergang rannte. Meine Hände zitterten. Der Abstieg war mühsamer als der Aufstieg. Ich konnte nicht immer sehen, was unter mir lag.
    »Stehenbleiben!«, erschallte die Stimme des Mannes über uns. Er war uns dicht auf den Fersen. Ich wollte schneller laufen, aber mein Rock blieb immer wieder an Steinen hängen. Ich raffte ihn und eilte weiter.
    »Schnell!« Khalid war unten angekommen und sprang auf und ab. »Beeil dich, Zulaikha!«
    »Lauf schon los. Ich hole dich ein. Du musst rennen!« Als er weiter auf mich wartete, rief ich noch einmal: »Los! Hau ab!«
    Khalid wischte sich Tränen aus den Augen und rannte dann verblüffend schnell davon. Ich strich mir Schweiß von der Stirn. Gelobt sei Allah in seiner tiefen Gnade. Danke, dass du meinen Bruder gerettet hast.
    Steinchen rollten oben von der Mauer. Khalid war in Sicherheit – im Gegensatz zu mir. Der Polizist kletterte nun nach unten. Falls ich je wieder aus dem Gefängnis kommen sollte, würde mein Vater mich grün und blau prügeln. Oh, Allah, sei mir gnädig. Bitte hilf mir.
    Meine Hand glitt ab. Ich rutschte einen Steilhang hinunter. Vergeblich versuchte ich, mich an einem niedrigen Vorsprung aufzurichten. Bei diesem Tempo hatte ich den Abstieg nicht mehr unter Kontrolle. Ich schlitterte und rollte weiter.
    Als ich endlich den flachen Hang am Fuß der Mauer erreicht hatte, drehte ich mich nicht um, sondern sprang auf und rannte über den staubigen Platz zum nächsten Haus. Der Entwässerungsgraben lag vor mir, aber es hätte zu lange gedauert, die Einkäufe zu holen, ohne dass der Polizist mich geschnappt hätte. Dieser Abschnitt des Grabens war etwa einen Meter breit. Ich zog den Rock noch etwas höher, nahm Anlauf und lief, was meine Beine hergaben. Kurz vor dem Graben sprang ich.
    Ich sah erst zurück, als ich auf der anderen Seite stand. Der Polizist war immer noch hinter mir her; gerade wollte auch er über den Graben springen. Meine Beine taten weh. Ich hätte am liebsten angehalten. Ich wusste, dass ich diesem Mann nicht entkommen konnte.
    Dennoch bog ich am Rand des Platzes um eine Mauerecke und lief am ersten Grundstück vorbei, als ich plötzlich am Arm gepackt und herumgerissen wurde. Wie hatte der Polizist mich so schnell einfangen können? Ich knallte gegen die Wand, während ich versuchte, meinen dreckigen Tschador festzuhalten.
    »Komm mit, Kind.« Es war eine alte Frau. Sie zog mich in den engen Gang zwischen zwei Mauern. Dann wuchtete sie ein Blech vor den Eingang und band es mit Stricken fest, die an rostigen, in den Lehmziegeln befestigten Haken hingen.
    »Wer …«
    Sie drehte sich zu mir um und legte sich einen Fingeran die Lippen. Ich riss den Mund weit auf, damit mein keuchender Atem nicht zwischen den Zähnen

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