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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Zimmer. »Aber ich blieb zum Glück nicht allein. Ich fand Männer und Frauen, die die Literatur und die alten afghanischen Dichter genauso schätzten wie ich. Während der finsteren Zeit, als die Taliban an der Macht waren, haben wir uns heimlich getroffen. Ohne meinen Freundeskreis aus Literaturliebhabern hätte ich den letzten Funken Hoffnung verloren.«
    »Ja, ich erinnere mich. Fremde bei uns zu Hause, die Tee tranken und aus Büchern vorlasen. Die über alles Mögliche redeten und lachten.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich wusste nie, wer sie waren. Ich hielt sie für Verwandte, die aus Kabul zu Besuch gekommen waren.«
    »Wir waren in vieler Hinsicht wie eine Familie. Wir waren einander sehr nahe, bis die Taliban schließlich von unseren Treffen erfuhren.«
    Ich war froh, dass sie nicht weitersprach, denn ich dachte ungern an die Taliban.
    Sie seufzte. »Zulaikha, die schöne Prinzessin. Du bist groß geworden.«
    »Ich bin nur ein Mädchen.« Ich zog den dreckigen Tschador vor meinen Mund. »Und ich bin das Gegenteil von schön.«
    »Nur ein Mädchen?« Sie zupfte das Tuch behutsam von meinem Gesicht. »Unsinn. Niemand ist ›nur‹ einMädchen. Du musst Geduld haben. ›Jeder Sieg entspringt der Geduld; sie ist das Zeichen für Gottes Huld.‹«
    Ich hatte immer geglaubt, dass meine Mutter diesen Spruch nur mit mir geteilt hatte. Woher kannte Meena ihn? »Das hat meine Mutter immer gesagt.«
    »Ja.« Sie lächelte. »Ich weiß. Es ist ein Zitat aus Yusuf und Zulaikha . Deine Mutter war eine große Bewunderin des Dichters Dschami. Vergib mir also, Zulaikha-jan, wenn ich nicht hinnehmen kann, dass du angeblich ›nur ein Mädchen‹ bist.«
    »Sie hat versucht, mich zu unterrichten, aber bis auf ein paar Wörter und Schriftzeichen habe ich alles vergessen«, murmelte ich und starrte in die Tasse. Etwas Besseres fiel mir nicht ein, obwohl ich so viele wichtige Fragen nach meiner Mutter hätte stellen können.
    Meena beugte sich vor. Das Licht, das durch das kleine und einzige Fenster schien, fiel auf ihr Gesicht und ließ ihre dunklen Augen strahlen. Trotz ihres Alters war ihr Blick lebhaft und aufgeregt. »Ach, Zulaikha. Vor langer Zeit, in Herat …« Sie schwieg so lange, dass ich schon glaubte, sie spräche nicht mehr weiter. Doch dann fuhr sie fort. »Ich habe damals in Herat Prosa und Lyrik unterrichtet – das Beste, was unsere alte Kultur zu bieten hat. Meine Studenten, sowohl Jungen als auch Mädchen, haben mich immer begrüßt, wenn sie in den Unterrichtsraum kamen, › Salaam Aleikum, Muallem ‹.« Ihr Atem flatterte wie ein Blatt im Wind. »Du hast sicher nie von Dichtern wie Firdausi, Dschami, Hafes oder Abdullah Ansari gehört, dessen Grabstätte in Herat fast so herrlich ist wie die Große Moschee. Du hast nie von Yusuf und Zulaikha gehört, obwohl es das Lieblingsgedicht deiner Mutter war. Aber wie solltest du auch? Du kennstja nur den Krieg.« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Überall in Afghanistan … nur Krieg.«
    Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Obwohl sie direkt vor mir saß, erweckte sie den Eindruck, als wäre sie weit, weit fort.
    »Weißt du, Zulaikha, wir haben so viel verloren. Aber wenn wir unsere Literatur, unsere Dichtung verlieren«, sagte sie nach einer Weile, »dann ist das nicht nur ein Verlust für Afghanistan, sondern einer für die ganze Welt.«
    Ich wollte etwas sagen, aber sie sprach weiter.
    »Seine Zulaikha war wunderschön;
    Er hatte nie Herrlicheres gesehn,
    Weder Juwel noch Edelstein.
    Sein Herz schlug nur für sie allein.
    Kein Lob ward ihr gerecht, o nein …«
    Sie wiegte sich beim Sprechen hin und her und ihre letzten Worte wurden von einem Windstoß, der durchs Zimmer wehte, davongetragen. Auch nach dem Verklingen der Verse schaukelte sie ihren Körper still weiter.
    Diese Verse hatten mich bezaubert. Ich hätte ihr am liebsten weiter zugehört. Klang, Rhythmus und Tonfall ihrer Stimme hüllten mich ein. Während sie sprach, sah ich die silberne Sichel des Neumonds vor mir; hörte, wie der Wind in unserer Dattelpalme flüsterte; hatte die warmen, sicheren Wände meines Zuhauses vor Augen. Doch ihre Worte weckten vor allem die Erinnerung an meine Mutter.
    »Wie können Sie all das behalten?«, fragte ich leise.
    »Ts, ts, ts.« Sie wedelte mit einem krummen Finger. »Deine Mutter kannte noch viel mehr. Sie wollte dasganze Buch auswendig lernen, damit die Taliban ihr dieses lange Gedicht nie rauben konnten.«
    Ein leiser Schmerz keimte in

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