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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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meinem Festtagstschador abgesehen besaß ich nur zwei – und der andere war langweilig dunkelblau. Dieser gefiel mir viel besser, denn erwar rosa, und die Farbe lenkte die Leute von meinem Mund ab.
    »Beeilung!«, knurrte Baba. »Habe ich dir nicht gesagt, dass du dicht bei mir bleiben sollst?«
    Ich löste das Tuch so behutsam wie möglich vom Draht und legte es wieder an. Danach achtete ich darauf, nicht noch einmal hängenzubleiben. Je näher wir der Basis kamen, desto höher ragten die ebenfalls mit Stacheldraht gesicherten Wälle auf. Der Mann im Funkgerät hatte zum Glück gesagt, dass man sich über unseren Besuch freute. Angesichts dieser Festung wäre ich nur ungern gekommen, wenn die Amerikaner wütend auf uns gewesen wären.
    Kurz vor dem Tor verbreiterte sich der Weg auf fast drei Meter. Zwei amerikanische Soldaten erhoben sich von einer Bank, die im Schatten der Mauer stand.
    »Salaam, rafiq!« Es war der afrikanische Soldat, dem ich in An Daral begegnet war. Er lächelte breit. Ohne Helm und Schutzausrüstung wirkte er überraschend klein. Er hängte sich das Gewehr über den Rücken und gab Baba die Hand.
    Shiaraqa, der Dolmetscher, stand lächelnd neben ihm. »Das ist Corporal Andrews«, sagte er. Dann übersetzte er für den Corporal. »Er begrüßt euch in Farah. Er sagt, Captain Mindy freut sich sehr, euch wiederzusehen.«
    Corporal Andrews hockte sich hin und wollte mir die Hand geben. Ich erinnerte mich an die Ermahnung meines Vaters und stellte mich dicht neben ihn. Baba drückte meine Schulter und als ich den Kopf hob, sah ich, dass er zum Corporal nickte. Also gab ich dem Soldaten die Hand in der Hoffnung, dass er mein Zittern nicht bemerkte. Ich wurde zum ersten Mal von einemMann berührt, der nicht zur Familie gehörte, und betete inständig darum, Baba nicht missverstanden zu haben. Hoffentlich war er nicht verärgert, weil ich die Hand des Corporals geschüttelt hatte.
    Shiaraqa schien es ganz normal zu finden, dass ich einen Fremden berührte. Er war offenbar an das ungeheuerliche Verhalten der Amerikaner gewöhnt.
    Dann kam ein Soldat auf uns zu, der keinen Helm, aber eine Schutzweste trug. Er reichte erst meinem Vater, dann mir die Hand und schon wieder musste ich die eines Fremden schütteln. Aber im Gegensatz zu Corporal Andrews sagte er nichts.
    Shiaraqa übersetzte wieder. »Corporal Andrews bedauert es sehr, aber seine Freunde müssen jeden vor dem Betreten der Basis durchsuchen. Er sagt, dass er das nur ungern tut. Seine Vorgesetzten zwingen ihn dazu.«
    Mein Vater erwiderte nichts, sondern nickte nur, als der Soldat auf eine Betonwand zeigte. Man bat Baba-jan, sich zwischen die auf dem Boden liegenden Sandsäcke zu stellen und die Hände gegen die Wand zu legen. Dann untersuchte ihn der zweite Soldat von oben bis unten. Er klopfte Babas Beine ab und hielt erst kurz vor dem Schritt inne. Was sollte das? Wer versteckte an dieser Stelle schon eine Waffe? Der Soldat betastete Babas Taille. Ich sah weg. Meine Hände und Füße waren feucht. Diese Amerikaner hatten keine Manieren, vor allem, was Mädchen betraf. Wenn sie darauf bestanden, meine Hand zu schütteln, würden sie bestimmt auch mich durchsuchen.
    Überall war Klingendraht und es gab nur den Weg, auf dem wir gekommen waren. Wenn ich wegrannte, würden mich die Wächter weiter vorn wieder einfangen.
    Endlich war die Durchsuchung beendet. Baba legte einen Arm um mich. Jetzt war ich an der Reihe, aber es war mir egal, was auf dem Spiel stand – ich würde nie zulassen, dass dieser Soldat mich anfasste!
    »Ihr dürft jetzt hinein«, sagte Shiaraqa.
    Hieß das, dass ich nicht durchsucht wurde? Vielleicht war ich noch zu jung. Vielleicht hatten sie mich vergessen. Vielleicht hatten sie doch den Anstand, ein Mädchen nicht von oben bis unten zu betatschen.
    »Wird meine Tochter nicht durchsucht?«, fragte Baba. Ich starrte ihn an. Warum musste er das sagen?
    »Wie bitte?«, fragte Corporal Andrews mit komischem Akzent auf Dari.
    Der Dolmetscher antwortete auf Englisch, woraufhin der Corporal lachend in eine Beintasche griff. Er holte zwei in Goldpapier verpackte Süßigkeiten heraus und sagte etwas. Der Afghane übersetzte: »In dieser Basis durchsuchen wir keine Engel.« Ich atmete erleichtert auf und folgte ihnen. ›Engel‹ genannt zu werden, gehörte sich zwar nicht, aber alles war besser, als von Kopf bis Fuß betatscht zu werden. Sie hießen uns ›rafiq‹, behandelten uns aber nicht im Mindesten wie vertrauenswürdige

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