Inshallah - Worte im Sand - Roman
Tuch. Zuerst das Naan, dann vier große Schüsseln mit Reis. Zwei gebratene Hühnchen, von denen sich alle etwas abreißenkonnten. Schalen mit würzigem Hammelfleisch in dicker, roter Soße und zwei große Platten mit Röstkartoffeln. Ich stellte sogar ein paar Teller mit Gewürzgurken hin.
Schließlich setzte ich mich zu den anderen, die redeten, lachten und ordentlich zulangten.
Und zwar stundenlang. Sogar Malehkah wirkte nicht mehr ganz so mürrisch. Ich war still und aß kaum etwas, denn ich wollte zu Hause nicht auch noch die Blicke und das Getuschel erdulden, für die mein Mund auf dem Markt sorgte. Also brachte ich Zeynab etwas zu essen, denn sie durfte nicht herumlaufen.
»Wie geht es dir?«, flüsterte ich, als ich ihr Hühnchen und Naan reichte. Gulzoma, die eine Geschichte über eine ihrer Nichten erzählte, zog die ganze Aufmerksamkeit auf sich.
Zeynab nahm das Essen. »Die Feier scheint gut zu laufen. Ich hatte gehofft, man würde tanzen, aber Gulzoma hat sicher recht. Wir tanzen ja morgen.«
»Zulaikha!« Malehkah befahl mich mit einem herrischen Nicken zu sich.
»Du bist wunderschön«, flüsterte ich Zeynab zu. »Und die Feier ist toll.« Dann setzte ich mich wieder neben die Frau meines Vaters.
Gulzoma und Jamila dominierten die Feier. Sie tratschten über Verwandte, berichteten von früheren Hochzeiten, die sie besucht hatten, und lachten darüber. Sie erzählten sogar ein paar Anekdoten über Hajji Abdullahs zweite und dritte Frau, bei denen manche Frauen erröteten und den Blick auf ihr Essen senkten.
Während eines seltenen Augenblicks der Stille nahm sich Gulzoma ein Stück Hühnchen. Das nutzte Isma,um mit hoher, sanfter Stimme zu sagen: »Es tut mir aufrichtig leid, dass die Amerikaner dir nicht helfen konnten, Zulaikha.«
Ich stand plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und spürte, wie mein Gesicht zu glühen begann. Ich hatte gerade in ein Stück Naan beißen wollen, legte es aber wieder hin. »Tashakor«, sagte ich.
»Ja.« Gulzoma zeigte mit einem Hühnchenschenkel auf Isma. »Sie wünscht sich sicher ebenso sehr ein neues Bein von den Amerikanern wie Zulaikha einen neuen Mund.« Sie kicherte. »Ein Jammer!«
Alle saßen stumm da, wie vor den Kopf gestoßen von ihrer Grobheit. Schließlich ergriff Malehkah das Wort. »Es ging nicht um einen neuen Mund. Sie wollten nur ihren jetzigen Mund operieren.« Sie lächelte Gulzoma an, aber in ihren Worten hatte ein unmissverständlicher Nachdruck gelegen.
Gulzoma starrte sie an, während sie mit einem Fingernagel zwischen ihren Zähnen herumstocherte. Dann fuhr sie fort, als hätte Malehkah gar nichts gesagt. »Jammerschade, dass nie etwas daraus werden wird.« Sie wandte sich an eine Frau, die hinten im Zimmer in Zeynabs Nähe saß. »Wie hat dein geistreicher Sohn Zulaikha immer genannt, Mariam? Eselgesicht? Nein. Ah! Doch, natürlich: Eselgesicht.« Sie klatschte in die Hände, als wäre sie hocherfreut, dass ihr das Wort noch eingefallen war. Dann runzelte sie die Stirn und legte sich einen Finger an die Lippen. »Was für ein unartiger kleiner Junge. Du solltest dafür sorgen, dass er nicht so frech ist.«
Bei der Erwähnung des verhassten Schimpfworts brannten meine Wangen. Ich drückte den Tschador festauf meinen Mund. Wie konnte diese Frau so grausam zu einer Gastgeberin sein?
Anwars Mutter, die junge, dritte Frau von Hajji Abdullah, senkte den Blick und stocherte in ihrem Essen herum. Gulzoma lächelte und nahm sich noch mehr Hühnchen. »Zulaikha, meine Liebe, du hast noch keinen neuen Mund. Mach ihn bitte zu.«
Mein Mund war zu. Jedenfalls so weit es meine Hasenscharte erlaubte. Ich hätte dieser dicken Alten am liebsten Wasser ins Gesicht geschüttet.
»Zulaikha. Zeynab. Holt ihr bitte die Bananen, Orangen und Süßigkeiten aus dem Haus?«, sagte Malehkah.
Gulzoma richtete sich ruckartig auf. »Warum soll Zeynab gehen? Zulaikha kann doch sicher …«
»Ich denke, Zeynab braucht frische Luft. Wegen der Hitze und allem«, unterbrach Malehkah. Sie sah Gulzoma fest in die Augen – ihr Gesicht eine fratzenhaft lächelnde Maske.
»Oooh, ich liebe Süßigkeiten«, sagte Isma mit ihrer leisen Stimme. Andere Frauen stimmten ihr nervös zu.
» Bale , Mada.« Ich nahm Zeynab bei der Hand und wir gingen gemeinsam zum Haus.
»Wie schrecklich!«, rief Zeynab, sobald wir durch die Tür waren. Ich legte sofort einen Finger vor meine Lippen und zeigte auf unsere schlafenden kleinen Brüder. »Diese Frau ist ein Ungeheuer,
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