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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Straub
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 Wahlberechtigten erscheinen zur Betriebsversammlung. Manche werden sogar mit dem Taxi von einer Hochzeit angekarrt, alles von Aldi organisiert. Auch die Bereichsleiterin ist anwesend, angeblich auf Wunsch der Beschäftigten. Schön lesbar trägt sie sich in die Teilnehmerliste ein. Zwei Filialleiter äußern, dass man keinen Betriebsrat brauche und zunächst grundsätzlich abstimmen solle. Die große Mehrheit der Anwesenden stimmt gegen einen Betriebsrat, wenige enthalten sich. Nur drei sind dafür.
    Die Kassierer wollen den Betriebsrat einklagen.
    Wenige Tage später
    Aleksandar Conda erhält seine erste Abmahnung wegen einer angeblich zehn Minuten verspätet eingereichten Krankmeldung. Bis November sollen noch sechs weitere folgen, unter anderem, weil er schlecht rasiert zur Arbeit erschienen sei. Zuvor hatte er neun Jahre lang keine einzige bekommen. Nenad Davidovic wird am selben Tag wegen eines fehlerhaften Testkaufs (Jacke für 7 , 99  Euro auf der Lenkstange übersehen) abgemahnt. Snezana Milenovska erhält mehr als 20  Testkäufe innerhalb kurzer Zeit, besteht aber alle. Die Testkäufer schaffen es nicht, sie zu überlisten.
    Mitte April 2011
    Snezana Milenovska wird versetzt, in einen anderen Bereich. Die alleinerziehende Verkäuferin muss jetzt mit der Straßenbahn fahren, mehr als 40  Stationen im Bus sitzen und dann noch zu Fuß durch eine düstere Gegend gehen, bevor sie ihre neue Filiale erreicht.
    Zu zweit können Conda und Davidovic den Betriebsrat in ihrem Bereich nicht durchsetzen.
    Anfang Mai 2011
    Das Amtsgericht Darmstadt stoppt die Versetzung per einstweiliger Verfügung, da damit wohl auch die Betriebsratswahl verhindert werden sollte.
    Mai, Juni 2011
    Snezana Milenovska wird regelrecht schikaniert. Sie kann freie Tage nur noch beantragen, wenn sie Beweise für die Notwendigkeit vorlegt. Bei Elternsprechtagen muss sie zum Beispiel schriftliche Einladungen vorlegen – als Einzige. Sie arbeitet fast nur noch in der von fast allen Kassierern ungeliebten Spätschicht, darf ihre gesetzlich vorgesehenen Pausen teilweise nicht mehr einhalten und muss sogar regelrecht betteln, wenn sie nur mal zur Toilette muss.
    Juli 2011
    In einem Gespräch werden Filialleiter und Bereichsleiterin deutlich. Snezana Milenovskas Anwalt schreibt, seine Mandantin wurde «gerufen, um sie zur Rede zu stellen. Frau Milenovska wurde in diesem Gespräch persönlich angegriffen, ihr wurde mitgeteilt, dass man auf ihre weitere Mitarbeit keinen Wert lege, da alle anderen Mitarbeiter/innen sie ‹hassen› würden. Sie sei darüber hinaus krank und müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Belegschaft keinen Betriebsrat wünsche. Ihr wurde gesagt, sie sei eine schlechte Mutter und habe psychische Probleme. Meine Mandantin bekam daraufhin keine Luft mehr, hatte erhebliche Kreislaufprobleme und verließ den Aufenthaltsraum. Im Verkaufsraum brach sie mit einem Kreislauf- und Nervenzusammenbruch zusammen. Der zuständige Notarzt diagnostizierte einen Nervenzusammenbruch nach Mobbing.»
    Als die Verkäuferin noch am Boden lag, kam die Bereichsleiterin hinzu und wies den Rettungsdienst darauf hin, dass Frau Milenovska nur markiere und er sich nichts vormachen lassen solle. So steht es im Unfallbericht der Branddirektion der Stadt Frankfurt am Main.
    Ende Juli 2011
    Die drei Verkäufer fahren, unabhängig voneinander und seit langem geplant, in den Urlaub.
    Fünf Tage später
    Eine Wahlversammlung tagt, drei Filialleiter werden in den Wahlvorstand gewählt, die Bereichsleiterin ist wieder mit dabei. Ein Insider: «Das sind Aldi-loyale Leute.» Plötzlich stimmen alle Mitarbeiter für den Betriebsrat, obwohl doch vor kurzem noch fast alle dagegen gestimmt haben. Die Idee: Wenn man den Betriebsrat schon nicht mehr verhindern kann, dann will man ihn wenigstens mit Getreuen besetzen.
    August 2011
    Ich erfahre von dem Fall. Nach einem kurzen Telefonat, bei dem ich außer den Worten «Schikane» und «Mobbing» aus der aufgelösten Frau Milenovska nicht viel herausbekommen kann, vereinbaren wir einen Termin.
    Wenige Tage später
    Ich besuche sie daheim. Frau Milenovska wohnt in Offenburg nahe Frankfurt. Es duftet nach Kaffee und frischen Brötchen, sie hat ein riesiges Frühstücksbuffet vorbereitet, wie sie es in der Hotellerie gelernt hat. Ihre Wohnung ist geräumig, luxuriös eingerichtet, sie trägt teure Markenklamotten. Später erfahre ich: Sie hat gut geerbt. Milenovska macht kein Geheimnis aus ihrem Wohlstand. Vielleicht ist

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