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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Straub
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Inhaltsübersicht]
    «Es wird schon was gewesen sein …»
    Entlassung und sozialer Absturz – drei Fallgeschichten
    Die beiden dunklen Limousinen glitten unauffällig durch das winterliche Allgäu, passierten malerische Landschaften und verträumte Dörfer. Trotz ihrer Anspannung fuhren die Lenker vorsichtig und beschleunigten ihre Fahrt erst auf der Autobahn  7 gen Norden. Sie wollten an diesem frühen Morgen unter keinen Umständen auffallen. Eine knappe Stunde waren die beiden Männer im Audi A 6 , die kaum ein Wort miteinander sprachen, und die Frau, die ihnen im Audi A 4 folgte, unterwegs. Was heute geschehen sollte, war allen klar. Nicht aber, wie es enden würde.
    «Wie geht es Ihnen?», hatten sie Hubert B. noch gefragt, bevor sie ihn, ohne seine Antwort abzuwarten, anwiesen: «Steigen Sie ein, wir fahren nach A.»
    Sie nahmen eine Abfahrt kurz vor der Stadt, bogen nur wenige Meter danach in ein graues Industriegebiet ab und steuerten auf ein unscheinbares Flachdachgebäude zu.
    Da habe er bereits gewusst, dass es vorbei ist, sagt B. heute. Ich treffe ihn in einem Schnellrestaurant in München, wo niemand nach links oder rechts sieht. Er spricht leise, fast wirkt er schüchtern. Manchmal lächelt er verschmitzt. Warum er sich ständig umdreht, frage ich ihn. Ja, warum eigentlich, antwortet er; dass ihn jemand verfolgen könnte, jetzt, fast drei Jahre später, halte er für unwahrscheinlich. Aber sicher ist sicher. Die Wochen und Monate vor dem 26 . November 2009 , aber vor allem dieser eine Tag, verfolgen ihn bis heute.
    Obwohl er ahnte, was kommen würde, stieg er damals auf dem Parkplatz der Aldi-Süd-Filiale, die er seit vielen Jahren leitete, freiwillig in den neuen, frisch gewaschenen Dienstwagen des abgesandten Prokuristen aus der Zentrale ein. Seine direkte Vorgesetzte, eine intrigante Bereichsleiterin, zuständig für mehrere Filialen im Umkreis, fuhr hinterher. B. zog während der Fahrt den Ärmel des blauen Aldi-Hemds, das er pflichtbewusst trug, zitternd zurück und sah mehrmals auf die Uhr. Er versuchte, sich zu konzentrieren, sich innerlich vorzubereiten. Denn der traurige Höhepunkt seiner Discounterkarriere stand kurz bevor.
    Vor dem unscheinbaren Gebäude in A., einer regionalen Aldi-Verwaltung, angekommen, öffnete B. die Tür des Wagens. Der Aldi-Manager am Steuer prüfte mit vorwurfsvoll-besorgter Miene den Innenraum. Er hatte gerade erst gesaugt.
    «Mitkommen», herrschte er B. an, und in Begleitung seiner Vorgesetzten tat der, wie ihm befohlen. Sie betraten das Gebäude. Die Türen des Vorraums öffneten sich automatisch, eine eilig herbeihuschende Sekretärin entsperrte die Haupttür. B. nahm die in geduckter Haltung in ihre Tasten tippenden Mitarbeiterinnen, die ihn neugierig ansahen, nur aus dem Augenwinkel wahr. Er betrat die Aldi-Verwaltung und wurde in ein spezielles, für ihn den ganzen Tag reserviertes Zimmer gebracht: den Aldi-«Verhörraum».
    Ich kenne ihn. Der Raum ist, wie so vieles bei Aldi, völlig unscheinbar. Abgewetzte Stühle, ohne Polsterung, versteht sich, umringen einen billig furnierten Konferenztisch. Ins linke Eck quetscht sich ein kleines Schränkchen, auf dem ein altmodisches Telefon steht. Mehr gibt es hier nicht. Mattes Tageslicht fällt durch ein Fenster, das in Richtung Parkplatz weist, in den Raum. Ein unweit vorbeifließender Fluss wird für den häufigen Nebel, den draußen, verantwortlich gemacht. Die Wände wirken trist und grau. Von Bildern oder gar Farbe keine Spur. Weil der große, ovale Konferenztisch so viel Platz einnimmt, herrscht ein beklemmendes Gefühl von Enge. Es ist kein Ort, an dem man sich wohlfühlt. Vor allem kein Ort, an dem man sich wohlfühlen soll. Frische Ware wird hier getestet, aber Lieferanten und Mitarbeiter kommen auch hierher, wenn es Probleme gibt. Wer hier landet, ist von der Außenwelt abgeschnitten, denn der Aldi-«Verhörraum» bietet einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Anders als in weiten Teilen des restlichen Gebäudes gibt es hier keinen Handyempfang.
    Peter B. hat dort die längsten Stunden seines Lebens verbracht, wie andere vor und nach ihm. Irgendjemand hatte beschlossen, dass es aus war. Also mussten sie irgendwelche Gründe finden, um ihn irgendwie loszuwerden. Ginge es nicht um seine Existenz, hätte sich B. geehrt fühlen können, denn an diesem Ort werden nur die ganz harten Fälle bearbeitet. Diejenigen, die wahrscheinlich nicht sofort das Ende ihres Arbeitsvertrages akzeptieren, bei denen mit

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