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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Straub
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zerstört. Die Familie trat aus Vereinen aus und zog sich zurück. Ein paar Wochen lang griff Hans W. zur Schnapsflasche, seine Frau Sigrid musste sich ständig erbrechen und wurde mit einer Gallenkolik ins Krankenhaus eingeliefert. Nach Aldi fand W., der gerne arbeiten wollte, keinen richtigen Job mehr. Er fühlte sich oft nutzlos. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er die Gesellschaft kostete, obwohl er arbeiten konnte. Ohne seine Sigrid, sagt er, hätte er das nicht durchgestanden. Vor Gericht siegte er, aber sein Leben hat sich verändert. Er malt und ist viel im Garten. Und er sucht jetzt «Schwammerl».
     
    W.s Erlebnisse liegen schon lange zurück, die von Peter B. erst drei Jahre. Die beiden Männer wurden Opfer eines Systems, das sie selbst jahrelang ausgeführt hatten. Ein Blick in die Gegend von Koblenz zeigt, dass sich bei Aldi wenig geändert hat.
    Ende Oktober 2012 wurde Martin H. nach 13 Jahren als Filialleiter in den «Verhörraum» der für ihn zuständigen Verwaltung bei Aldi Nord zitiert. Mal war er «zu hart», dann wieder «zu lasch». Jedenfalls war er «nicht kooperativ». Und plötzlich tauchte eine anonyme Kundenbeschwerde auf. Mit den darin ausgeführten und weiteren Beschwerden, offenbar von langer Hand vorbereitet, bombardierten ihn gleich zwei Prokuristen. Erfolglos. Sie kündigten H. fristlos und mussten vor Gericht später alle Vorwürfe mangels Beweisen fallenlassen. Aldi zahlte eine Abfindung und stellte ein gutes Zeugnis aus. Ähnlich erging es Holger D. aus Bonn, dessen Discounterkarriere nach sieben Jahren abrupt endete.
    Im August 2012 wurde die Marktleiterin Sandy F. aus Stuttgart nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit in den «Verhörraum» zitiert. Als sie schwanger wurde, habe man sie loswerden wollen, glaubt sie heute. «Wie wollen Sie das schaffen? Ist Ihnen das nicht alles zu viel? Wer sorgt dann für Ihr Kind?», habe man sie gleich nach dem Bekanntwerden gefragt. Nach ihrer Rückkehr aus der einjährigen Elternzeit konnte sie auf einmal nichts mehr richtig machen. Auch sie wurde in die Zentrale einbestellt und nach einem «intensiven» Gespräch, in dessen Verlauf sie sich «uneinsichtig» gab, mit einer fristlosen Kündigung bedacht. Sie einigte sich mit Aldi außergerichtlich auf eine für sie vorteilhafte Lösung. Ähnlich erging es Daria M. aus Kassel, einer Führungskraft in der Logistik.
    Ein Bereichsleiter von Aldi Suisse, der ebenfalls durch den «Verhörraum» musste, sah sich schon bald danach mit schwerwiegenden Gerüchten konfrontiert. Auf der Straße wurde er mehrmals auf sie angesprochen: «Ja, bist du denn schon wieder raus aus dem Knast?» Selbst auf höchsten Ebenen, wenn Mitarbeiter gehen, zirkulieren oft rasch Gerüchte, die den Betroffenen kriminalisieren und ausgrenzen sollen.
    Die Liste ließe sich noch lange fortführen. Bei Aldi hat sich nichts geändert. Die bewährte Methode, im Vorfeld durch Mobbing und bereits im Trennungsgespräch durch psychischen Druck, manchmal bis hin zur Nötigung, die sich oft genug schwer beweisen lässt, wurde beibehalten.
     
    Seit einem halben Jahr ist auch Peter B. wieder arbeitslos, sucht gerade einen neuen Job. Nach Aldi war er eine Zeitlang Handelsvertreter, befristet natürlich.
    B. ist bis heute traumatisiert. Er hat erfahren, dass derzeit dasselbe Spiel mit einem ehemaligen Kollegen von ihm läuft: Er gibt ihm noch bis Weihnachten, höchstens. Aldi hat ihn nicht nur auf die Straße gesetzt, sondern seinen Abgang intern rechtfertigen müssen und damit der Verbreitung übler Gerüchte Vorschub geleistet. Er habe seine Mitarbeiter gemobbt und man habe ihn wegen Personalproblemen «rausnehmen» müssen. Natürlich fiel es auch in seiner Kleinstadt auf, dass der langjährige Marktleiter plötzlich weg war. Mutmaßungen und Spekulationen waberten durch die Stadt. B. äußerte sich dazu nie.
    Er hat eine stattliche Abfindung von Aldi erhalten, sonst wäre er nicht gegangen. Sie hat ihm geholfen, einige Zeit zu überbrücken. Aber seine psychischen Verletzungen sind nicht wiedergutzumachen. Manchmal, wenn er sich nachts schweißgebadet im Bett wälzt, wird er wieder von zwei Nobelkarossen in den «Verhörraum» nach A. gefahren. Er ist wieder in einem engen Raum, abgeschnitten von der Außenwelt, und wird mürbe gemacht. Seine ehemalige Vorgesetzte verwandelt sich in eine Hexe, die ihn hämisch auslacht, und der Aldi-Prokurist in Frankenstein. Er wird in seinen Träumen gefoltert, bis er unterschreibt. Bis er

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