Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
durfte. Bis Juni 2011 wurden mindestens neunundsiebzig Menschen in acht Ländern in Verbindung mit Aktivitäten von Anonymous verhaftet.
Diese ersten Verhaftungen und die hartnäckigen Enthüllungsversuche von Leuten wie Emick führten dazu, dass Topiarys größte Sorge nun nicht mehr war, was mit Anonymous geschehen würde, wenn seine kleine Gruppe sich zurückzog. Andere würden kommen, um die Bewegung weiterzutragen. Wenn das IRC-Netzwerk zusammenbrach, würden sie zu den Imageboards zurückkehren. Bei jeder Verhaftung würden sich noch mehr Leute der Bewegung anschließen. Zwei Jahre lang war bei Anonymous nichts passiert, bis sich #savethepiratebay plötzlich lawinenartig zu WikiLeaks auswuchs und Tausende Neuankömmlinge für eine stabile Infrastruktur in Anonymous sorgten. Gerade als sich die Aufregung im AnonOps-IRC fast vollständig gelegt hatte, kam der Angriff auf HBGary. Oft waren es einfach nur Zufälle – ein Medienereignis wie WikiLeaks oder ein einzelner Aufruf auf /b/ zum Kampf gegen Scientology.
Topiary setzte seinen Abschied von Anonymous gekonnt in Szene. Er verfasste ein erfundenes IRC-Chatlog zwischen zwei Freunden, die sich über Topiarys Verhaftung unterhielten, und sorgte dann dafür, dass das Log so lange weitergegeben wurde, bis die Geschichte einigen glaubwürdig erschien.
ich muss mit … jemandem reden … bist du Q?
lol. hängt davon ab wer das wissen will
man hat mir gesagt ich soll auf anonops gehen und Q oder Tflow finden. jemand den wir beide kennen hat mir den kontakt für den notfall gegeben. du kennst ihn als topiary
top? den hab ich seit tagen nicht gesehen
ich kenn ihn im richtigen leben. ich wohne um die ecke. da war richtig was los bei seinem haus. leute und autos überall. hab ihn seither nicht mehr gesehen
es war aber keine polizei oder?
ich weiß nicht aber ich glaube nicht
Das falsche Log war lang und voller Tippfehler, es enthielt viele unbeholfene Fragen von »contact« über AnonOps, damit er wie ein Neuling im Netzwerk wirkte, und einen angemessen misstrauischen Marduk. Der »Freund« sollte besorgt klingen, aber es blieb immer unklar, ob Topiary tatsächlich verhaftet worden war. Die Gerüchte würden sich von selbst entwickeln, wenn der Text genug Fragen offenließ.
Topiary gab das Log an fünf Vertraute weiter, sorgte aber dafür, dass jede Version sich leicht von den anderen unterschied – hier ein anderes Satzzeichen und dort ein etwas anders geschriebenes Wort. Sollte das Log jemals in die Hände einer Gruppe wie Backtrace gelangen, konnte er dadurch herausfinden, von wem sie es hatten. Topiary änderte seinen Nickname in Slevin und löschte schweren Herzens alle Skype-Kontakte bis auf drei.
Das Geschirr klapperte, als Jake es in die Spüle stellte. Darunter befand sich ein Teller mit den Überresten eines Fisch-Pie, den er gerade gegessen hatte. Er besuchte immer noch häufig das »Koch«-Board von 4chan, und er kochte gern, am liebsten Pies mit Fisch oder Fleisch. Er drehte das Wasser an und warf einen Blick durchs Küchenfenster nach draußen. Dort fiel ihm ein Polizeitransporter auf, der ein paar Häuser weiter auf der Straße parkte. Sein Herz raste. Er lief zu seinem Laptop, um der kleinen Gruppe im Chat Bescheid zu sagen, was los war. »Bin mal kurz weg«, sagte er unter seinem neuen Nickname, Slevin, zu AVunit. Den Namen behielt er nicht lange, weil ihn die Leute so einfach nicht kannten. »Viel Glück, und sei vorsichtig, Top.«
Als Jake sich aus seinen IRC-Kanälen abgemeldet und seinen Mantel angezogen hatte, war der Transporter verschwunden. Es war ein sonniger Tag, kalt und frisch. Der Wind trug eine Ahnung von salziger Seeluft mit sich. Jake setzte seine Kopfhörer auf und ging die zwanzig Minuten zu Fuß in die Stadt, den Kopf hielt er wie üblich gesenkt, und die Schultern zog er leicht hoch. Er sah sich nach dem Polizeitransporter um, aber der war spurlos verschwunden.
Jake ging in ein Café am Fuß eines Hügels. Es war wahrscheinlich der modernste Fresstempel der Stadt, mit edlen Lederstühlen, Holztischen und sanfter Beleuchtung. Er kaufte sich einen Latte zum Mitnehmen, kletterte auf den Hügel und setzte sich an seinem Lieblingsplatz ins kurze Gras. Hierher kam er, wenn er nachdenken wollte, es war ein Platz, an dem er trinken und die Aussicht genießen konnte. Neben ihm standen mehrere schwarze Eisenkanonen, die vor Generationen die Schiffe von Angreifern
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