Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
sich als Mitbegründer von Backtrace. »Ich war stinksauer [auf Emick]«, sagte Laurelai, nachdem sie das Video von Emicks Vortrag auf YouTube gesehen hatte. »Ich denke täglich daran, das können Sie mir glauben.«
Im Oktober jenes Jahres verfasste François Paget, der als Analyst für den IT-Giganten McAfee arbeitet, eine Studie über Anonymous und die Effektivität der Nachforschungen von Leuten wie den Backtrace-Mitgliedern, Aaron Barr und The Jester, die sich Ende Dezember daranmachten, die Beteiligten von Operation Payback zu enttarnen. Er kam zu dem Schluss, dass derartige Nachforschungen selten erfolgreich sind und oft die Polizeiarbeit sogar noch behindern. Zu dem Zeitpunkt, als er die Studie durchführte, hatten Anti-Anonymous-Gruppen wie Backtrace etwa zweihundertdreißig Namen zu Pseudonymen veröffentlicht, während die Polizei weltweit (außer in der Türkei) hundertdreißig Verhaftungen vorgenommen hatte. Bei diesen Verhaftungen brachte die Polizei 30 Namen in Erfahrung. Doch es gab nur wenige Übereinstimmungen zwischen den Namen, die von den selbst ernannten Ermittlern veröffentlicht wurden, und denen, die die Strafverfolgungsbehörden feststellten. »Meiner Meinung nach haben sie eher Verwirrung gestiftet, als dass sie nützlich waren«, schrieb Paget.
Manchmal reichte aber ein einziger richtiger Name. Wenige Wochen nach der Veröffentlichung von Backtrace meldete sich das FBI bei Emick und bat sie um Unterstützung bei den Ermittlungen. Sie interessierten sich für den Namen, den sie für Sabu in Erfahrung gebracht hatte, aber sie mussten ihre Beweise mit Emicks Beweisen abgleichen, bevor sie sicher sein konnten, dass Hector Monsegur der richtige Mann war. Emicks bisherige Nachforschungsergebnisse reichten nicht für eine Verhaftung, und die FBI-Agenten wollten sichergehen, dass sie den echten Sabu nicht verschreckten. Er konnte sich noch als nützlich erweisen.
In der Zwischenzeit standen die HBGary-Hacker vor einigen schweren Entscheidungen darüber, was sie wegen Backtrace unternehmen sollten. Sie rechneten sich (zu Recht) aus, dass bald andere Gruppen versuchen würden, Emicks Arbeit zu toppen, so wie sie es mit Barr getan hatte. Wenn Topiary und die anderen nicht in Handschellen abgeführt werden wollten, mussten sie sich sehr genau überlegen, wie sie als Nächstes vorgehen wollten.
Kapitel 15: Loslösung
Bei Anonymous gab es nur drei Reaktionsmöglichkeiten auf ein Dox:1. Man stritt einfach alles ab. Das war eine beliebte Taktik, die aber nicht immer funktionierte. Die meisten leugneten alles, selbst wenn die Informationen den Tatsachen entsprachen. Das war nicht ungefährlich. Der größte Fehler aber war es, ehrlich zu sagen, welcher Teil der Informationen zutraf und welcher nicht, denn damit wies man einem Ermittler die richtige Richtung. 2. Man meldete sich bei den Doxern und überschüttete sie mit Falschinformationen und Verschwörungstheorien und ließ sie glauben, man habe die Seiten gewechselt, während man in Wirklichkeit die Nachforschungen behinderte. Das war grob gesagt Sabus Taktik. Kurz nachdem die Backtrace-Bombe geplatzt war, tauchte er im Chatnetzwerk auf, in dem sich Emick und ihre Kollegen meistens aufhielten, und gab vor, er wolle ihr einen vertraulichen Chat der HBGary-Crew anbieten. Sabu kopierte alle Logs seines Chats mit Emick, in denen er ihr Vertrauen gewonnen hatte, für seine Freunde, die sich darüber totlachten. 3. Man schweigt und macht einen Abgang nach links.
Für Topiary bot die Veröffentlichung von Backtrace die perfekte Ausrede für einen endgültigen Bruch mit Anonymous. Er wollte mal wieder etwas ganz Neues lernen und erleben. In den drei Monaten bei Anonymous, von Dezember bis Februar, hatte er jede Ecke von Anonymous kennengelernt: Er hatte Defacement-Botschaften, Flyer und Pressemitteilungen verfasst, er war Zeuge geworden, wie ein Botnet PayPal lahmlegte, er hatte einen öffentlichen Dienstleister bloßgestellt und erlebt, wie sich diese Sache zu einer internationalen Enthüllung auswuchs, an der eine Großbank und WikiLeaks beteiligt waren, und er hatte einen Live-Hack im Radio gegen die Westboro Baptist Church angeführt.
Topiary hatte viel gelernt und erlebt, aber er war ruhelos. Anonymous begann ihn zu langweilen. Was als eine große Bewegung begonnen hatte, war in viele kleine Nebenprojekte zersplittert. Die Sache schien für ihn ausgereizt zu sein. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass er erwachsen wurde, oder dass ihn so viel
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