Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
der Shetlands durchlöchert hatten. Jetzt waren es nur noch stille, mit Rostschutzfarbe überzogene Relikte der Vergangenheit. Er hätte sich auf eine von ihnen setzen können, aber das erschien ihm respektlos.
Er ging zurück. Von dem Polizeitransporter war immer noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatten sie nur nach den Drogensüchtigen in der Gegend gesehen. Jake lebte in einer ärmlichen Gegend, und die ganzen Heroinsüchtigen nebenan hörten manchmal sehr laut Musik. Ein Bewohner war eines Tages so high gewesen, dass er einen schweren Vorleger auf die Wäscheleine zum Trocknen hängte, obwohl es draußen regnete. Am nächsten Morgen zerrte er den völlig ruinierten Teppich von der Leine und versuchte, ihn trocken zu schütteln. Wenn die Junkies ihn anpöbelten oder ärgerten, leitete Topiary ihren drahtlosen Internetanschluss zur drastischen Goatse-Seite um und benannte ihre Drahtlosverbindung in Heroinversteck-unter-dem-Haus um. Seit einem Jahr wagten sie nicht einmal mehr, ihm eine Bierbüchse in den Vorgarten zu werfen.
Jake betrat das Haus und ging zu seinem Laptop. Er ging online und stieß auf eine Nachrichtenmeldung über Anonymous. Anscheinend hatte Anonymous Sony den Krieg erklärt, ein ehrgeiziges Ziel. Diesmal hatte er keine Ahnung, wer den Angriff leitete, und er war sehr froh darüber. Richtig erleichtert war er, alldem den Rücken gekehrt zu haben.
Es war der 1. April, und ein paar Anons hatten gerade eben einen neuen digitalen Flyer veröffentlicht. »Herzlichen Glückwunsch, Sony«, stand darin. »Sie haben nun die ungeteilte Aufmerksamkeit von Anonymous auf sich gezogen.« In Topiarys Abwesenheit hatte der 4chan-Rächer William begeistert zum Angriff geblasen. Seine Hauptaufgabe war es, im Rahmen einer Nebenoperation namens SonyRecon so viel wie möglich über die leitenden Angestellten von Sony und deren Familien herauszufinden. Der Stein des Anstoßes war diesmal eine Klage, die Sony gegen einen Hacker namens George »Geohotz« Hotz wenige Wochen zuvor eingereicht hatte. Geohotz hatte das scheinbar Unmögliche geschafft und die PlayStation-2-Spielekonsole geknackt. Auf seinem Blog hatte er dann verbreitet, wie man Spiele kostenlos herunterladen konnte. Mit damals einundzwanzig Jahren war Geohotz bereits bekannt dafür, das iPhone und dem iPad von Apple geknackt zu haben. Jetzt hatte Sony ihn wegen Verstoßes gegen US-Gesetze zur Computerkriminalität angezeigt, weil er ihre Konsolen gehackt hatte.
In den folgenden Tagen luden Anons die LOIC-Anwendung auf ihre Computer und starteten einen DDoS-Angriff auf mehrere Sony-Websites und das PlayStation-Netzwerk (PSN) der Firma für Spieler. Das PlayStation-Netzwerk ging daraufhin vom Netz, was Millionen von Spielern weltweit ziemlich erboste.
William, der normalerweise größeren Raids von Anonymous skeptisch gegenüberstand, war Feuer und Flamme für diesen Angriff und die Nebenoperation, an der er mitarbeitete. Sein Team hatte bereits persönliche Informationen über mehrere leitende Angestellte von Sony und ihre Familien zusammengetragen, darunter auch über den CEO von Sony, Howard Stringer, und seine erwachsenen Kinder. »Dies ist der bisher gezielteste Angriff«, schwärmte er damals in einem Interview. »Die Experten in Social Engineering wissen, was sie zu tun haben, und die Hacker auch. Dies ist wohl das erste Mal, dass ich Teil eines Teams bin und meine Rolle in diesem Team GENAU kenne.« Er argumentierte, die Art, wie Sony Geohotz (»einen von uns«) behandelt habe, habe sich gegen die Freiheit, die Meinungsfreiheit, den Individualismus und damit »gegen Anonymous« gerichtet.
William kümmerte es nicht, dass in Anonymous offensichtlich eine Rangordnung existierte: Hacker und Schreiber standen ganz oben, die Leute für Social Engineering und LOIC ganz weit unten. Beide Seiten profitierten vom Ruf der anderen Seite: William schüchterte seine Ziele mit der Behauptung ein, er sei ein Hacker, und die Hacker profitierten vom zweifelhaften Ruf von Anonymous, da viele Leute, die wenig Ahnung hatten, den Begriff ziemlich wahllos verwendeten.
Die DDoS-Angriffe gegen Sony zogen sich über mehrere Tage hin und wurden schließlich so unbeliebt, dass Anonymous kurz vor dem 7. April ihren Abbruch ankündigte. »Anonymous hat die Angriffe gegen das PSN abgebrochen«, verkündete eine neue Pressemitteilung. »Wir haben begriffen, dass ein Angriff gegen das PSN keine gute Idee ist. Wir haben daher unsere Aktion vorübergehend ausgesetzt, bis wir
Weitere Kostenlose Bücher