Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
einen Weg gefunden haben, der die Kunden von Sony nicht übermäßig beeinträchtigt.«
Seltsamerweise war das PlayStation-Netzwerk aber weiterhin nicht erreichbar, und die Spieler waren wütend. Am 22. April veröffentlichte Anonymous eine weitere Pressemitteilung auf AnonNews.org mit der Überschrift »Dieses Mal waren wir es nicht«. Das Netzwerk war inzwischen seit fast drei Wochen nicht mehr erreichbar, und offensichtlich lag das nicht an einem fortgesetzten DDoS-Angriff.
Genauso seltsam war, dass sich Sony selbst seit Wochen nicht zu Wort gemeldet hatte. Erst am 2. Mai gab es eine überraschende Bekanntmachung des Unternehmens. Es habe zwischen dem 17. und 19. April einen »Einbruch« in das Netzwerk der Firma gegeben. Hacker seien an persönliche und Finanzdaten von über 75 Millionen Kundenkonten im PlayStation-Netzwerk gelangt. Dieser Hackerangriff betraf mehrere zehn Millionen Menschen. Keiner bei Anonymous wollte dafür die Verantwortung übernehmen, und keiner bei AnonOps schien zu wissen, wer diese ganzen Userdaten gestohlen hatte. Bis Ende des Monats hatte Sony 171 Millionen Dollar ausgegeben, um die Sicherheitslücke zu schließen, und wenige Monate später gab es Berichte darüber, dass die Kosten, die Sony durch den Einbruch entstanden, die Grenze von 1 Milliarde Dollar übersteigen konnten.
Sony informierte das US-Repräsentantenhaus in einem Brief. Darin stand, die Cyberverbrecher hätten eine Datei mit der Bezeichnung »Anonymous« und »Wir sind Legion« im System hinterlassen. Es konnte eine Visitenkarte sein oder ein Versuch der kriminellen Hacker, die Polizei auf eine falsche Spur zu locken. In jedem Fall aber zerstörte diese Nachricht den Eindruck von Legitimität, den sich Anonymous durch die Proteste für WikiLeaks und den Nahen Osten und durch die Informationen, die bei dem Angriff gegen HBGary aufgedeckt worden waren, in den Augen der Öffentlichkeit erworben hatte.
Zunächst gefiel vielen Anons die Vorstellung, dass Hacker Sony auf so drastische Weise geschadet hatten – aber die Aktion hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Niemand wusste, wem der Coup gelungen war, und es hatte keine offizielle Stellungnahme von Anonymous gegeben – nur eine seltsame, versteckte Datei war hinterlassen worden. Der ganzen Angelegenheit fehlte es an Ehrenhaftigkeit.
Zu allem Übel musste sich AnonOps bald auch noch mit internen Problemen herumschlagen, als sich die Nachricht von einem riesigen Informationsleck im Netzwerk verbreitete. Ein hinterhältiger Operator hatte eine Liste von 653 Nicknames veröffentlicht, gemeinsam mit den zugehörigen IP-Adressen, welche die Polizei, Internet-Trolle und jeden, der mit Google umgehen konnte, direkt zur Haustür des jeweiligen Users führen konnte. Wieder einmal war die Gefahr für die Newbies am größten, nicht für die echten Hacker.
Fast augenblicklich wurde aus dem AnonOps-IRC eine Geisterstadt. Die Hunderte regelmäßigen Teilnehmer, deren Name auf der Liste stand, hatten zu viel Angst, sich wieder einzuloggen. Manche zogen sich in andere IRC-Netzwerke wie EFnet und Freenode zurück, während andere über Blogs und Foren weiter kommunizierten. Anonymous war plötzlich zu einer Diaspora ohne eigene Heimat geworden.
Ex-Administratoren bei AnonOps, unter ihnen Owen, Shitstorm, Blergh und Nerdo, veröffentlichten eine offizielle Erklärung, in der sie sagten, ihnen täte »dieses Theater ehrlich leid«, und die Besucher aufforderten, sich von den AnonOps-IRC-Servern fernzuhalten.
Nach zwei Tagen stand der Schuldige endlich fest. Ryan war ein IRC-Operator gewesen, der auf seinen Servern zwei populäre Websites für Unterstützer von Anonymous gehostet hatte. Er war ein bekanntermaßen launischer Webadministrator, dem es Spaß machte, Tausende Leute auf seinen Servern unterzubringen. Ryan war auch derjenige, der Topiary im Januar erklärt hatte, wie man die Zahl der LOIC-Anwender fälschen konnte, und gehörte zu den ganz wenigen, die ein riesiges Botnet kontrollierten. Ryan galt als unberechenbar, und als die Zusammenstöße mit den Netzwerk-Operatoren immer verbitterter wurden, war er anscheinend völlig durchgedreht.
Ihm musste klar gewesen sein, dass seine Aktion Folgen haben würde, und die traten ein, als jemand an seine echten persönlichen Daten herankam. Angeblich hatte Ryan Sabu angebettelt, die Veröffentlichung seiner Daten zu verhindern. Als das nichts nützte, startete er mit seinem Botnet DDoS-Angriffe gegen das AnonOps-Netzwerk und
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