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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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war; er entschied sich dafür, bei seinem Vater zu bleiben. In der Schule, laut Statistik einer der schlechtesten landesweit, fiel er kontinuierlich durch schlechtes Benehmen auf. Er beschimpfte die Lehrer oder stand einfach auf und verließ den Unterricht. Er musste andauernd nachsitzen. William war kein sozial Ausgestoßener; er sah einfach keinen Sinn im Schulbesuch. Mit vierzehn Jahren flog er von der Schule, wurde dann wieder aufgenommen und ging im Oktober 2004 von selbst und für immer.
    Zu dieser Zeit hatte er sich bereits ein neues Leben im Internet erschaffen. Zuerst hatte er mit einigen Freunden angefangen, Webseiten aufzusuchen, die von Pädophilen frequentiert wurden. Wenn man sich zum Beispiel mit »sexy_baby_girl« anmeldete, wurden diese aufmerksam. Die Jugendlichen forderten die Männer auf, sich vor der Webcam zu zeigen. Häufig präsentierten sich die Opfer nackt, und die Jungs fielen um vor Lachen. Um die Sache aufregender zu machen, schickten sie dem Mann über MSN Messenger, das beliebte Chatprogramm von Microsoft, manchmal eine angebliche Abmahnung des Jugendamtes, in der sie behaupteten, die IP-Adresse des Mannes zu haben, anhand deren sein Rechner identifiziert werden konnte. In Wirklichkeit war das nur eine willkürlich ausgedachte Zahlenfolge, und der Mann loggte sich gewöhnlich einfach aus, aber sie konnten sich vorstellen, wie erschrocken er sein musste – und dass er es wahrscheinlich nicht anders verdiente.
    William war dabei immer derjenige, der seine Freunde drängte, den Spaß noch weiter zu treiben oder das Opfer noch mehr sexuell zu reizen. Schließlich setzte er seine Streiche zu Hause auf iSketch.com, TeenChat.net und anderen damaligen Treffpunkten sexuell Pervertierter fort. Die Bilder schockierten William schon lange nicht mehr; seinen ersten Porno hatte er mit elf Jahren gesehen.
    Bald verbrachte er täglich viele Stunde im sogenannten Deep Web, dem »tiefen Internet« von über einer Trillion Seiten, die Suchmaschinen nicht anzeigen können. Wie in den dynamischen Webforen findet man auch hier viel Illegales. William verstrickte sich in den täglichen Konsum von Splatterszenen, furchtbaren Verkehrsunfällen und selbst gemachten Pornofilmen – alles auf dem Familiencomputer. Bei manchen sehr abstoßenden Bildern bekam er Panik und schloss hastig das Browserfenster. Irgendwie fand er sich spätabends aber dann auf derselben Seite wieder. Und auch in der nächsten Nacht. Ungefähr mit fünfzehn Jahren stieß er auf 4chan, die Webseite, die in den nächsten Jahren seine Welt werden sollte.
    Viele Mitstreiter von Anonymous sagen, sie seien über 4chan darauf gestoßen. Das galt jedenfalls für William und Topiary, die beide ungefähr gleichzeitig im Jahr 2005 darauf kamen. Schon damals las man überall im Internet den Slogan »Wir sind Legion«. Auf 4chan gab es nur noch selten Tripcode-User. Ein Jahr nachdem Shii seinen Essay gepostet hatte, war die erzwungene Anonymität im Forum weitgehend akzeptiert. Wer als Tripfag galt, wurde schnell geächtet und verspottet.
    4chan boomte. Es war zu einer wimmelnden Schlangengrube voller perverser Bilder und böser Scherze geworden, aber gleichzeitig auch zu einer Quelle außergewöhnlicher, schrankenloser Kreativität. Viele sogenannte Internetmeme entstanden hier – Bilder, Videos oder Slogans, die für Tausende User zu Insiderwitzen wurden, nachdem sie an genügend viele Freunde und Foren geschickt worden waren. Oft waren sie zum Umfallen komisch.
    Neben Splatter- und Brutalvideos, Bildern nackter Frauen – und nackter Männer – und Darstellungen von Animefiguren fanden sich auch Tausende Katzenfotos. Die /b/-User hatten 2005 angefangen, jeweils am Samstag (der bald als Caturday bekannt wurde, ein Wortspiel mit den englischen Begriffen Saturday und cat ) niedliche Katzenfotos mit lustigen Sprüchen zu posten. Solche sogenannten Image-Makros, Fotografien mit einer weißen Textzeile oben und einer Pointe unten, führten schließlich zum Mem »LOLcats«. Es war das erste von vielen Memen, die außerhalb von 4chan auch im Mainstream populär wurden und schließlich andere Webseiten und sogar Bücher hervorbrachten.
    Tausende solcher Image-Makros wurden täglich auf 4chan gepostet. Einige verbreiteten sich viral und wurden zu allgemein bekannten Sprüchen, die noch Jahre später von Millionen Menschen gebraucht wurden. So schuf zum Beispiel Andrew »weev« Auernheimer, ein ehemaliger Hacker und Internet-Troll, ein Image-Makro, das sich

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