Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
James zu kümmern. Das war einer der großen Vorteile von /b/: Wenn man bei einem Problem nicht weiterkam, fand man dort immer jemanden, der einem bei der Lösung half. Ein paar /b/-User hatten sich über ihre eigenen erfundenen Facebook-Profile bei William gemeldet, und einer von ihnen, der den Namen Ben Dover benutzte, bot an, das richtige Passwort von James zu besorgen. James merkte recht bald, dass er nicht mit seiner sechzehnjährigen Freundin Selena sprach, sondern mit einem bösartigen Hacker. Sofort kam die Feststelltaste zum Einsatz. »ICH SCHLAG DIR DEN SCHÄDEL EIN«, erklärte er. William lachte.
»In dieser Nacht hatte ich so viel Spaß wie noch nie«, meinte William später. »Ich finde es toll, wenn Leute sich aufregen und nicht einmal merken, dass sie gar nichts tun können. Das ist, als würden sie sich vor den kräftigsten Mann im Nachtclub stellen und sagen: ›Ich hau dich um!‹ Es wird ganz einfach nicht passieren.« James schimpfte immer noch weiter. »Ich schlitz dir die Kehle auf, du Schwuchtel!«, schrieb er. In einem anderen Browserfenster meldete Ben Dover, er sei gleich in James’ Facebook-Account drin.
»Jetzt geht’s los«, sagte Ben schließlich. »Okay, los geht’s«, antwortete William. Von James kam zehn Minuten lang nur noch Schweigen. Dann erschien eine neue Nachricht von James’ Account im selben Chatfenster: »Ich bin drin!« Es war Ben. William grinste. Die beiden chatteten noch ein wenig miteinander, und William stellte fest, dass /b/ruder Ben ein Meister der leisen Trollerei war. Das war eine subtilere Art von Streichen. Zum Beispiel war es witzig, sich in ein Facebook-Profil einzuhacken und dort Pornobilder auf die Pinnwand zu stellen. Aber es war noch witziger, wenn man es so aussehen ließ, als habe der Besitzer des Profils aus Versehen selbst einen Pornolink eingestellt.
William und Ben gründeten eine private Gruppe bei Facebook und stellten einen Link darauf bei /b/ ein. Eine halbe Stunde später waren fünfzig andere /b/-User mit falschen Facebook-Profilen der Gruppe beigetreten. Dort sammelten sie Ideen, was sie als Nächstes tun sollten. Fürs Erste wollte William die Login-Daten zu Selenas Facebook-Account für sich behalten. Selena mit ihrem Netzwerk aus dreitausend Freunden bei Facebook war die Krönung dieser Nacht. Sobald er sich in ihren Account einloggte, blinkten zehn Tabs mit Chatnachrichten von Jungs auf. Das bewies einmal mehr, welche Anziehungskraft Teeniemädchen im Internet ausübten und wie verblendet ein Mann sein konnte, wenn er glaubte, mit einem solchen Mädchen zu sprechen. Genau diesen Vorteil nutzte die Person hinter Kayla, indem sie online als sechzehnjähriges Mädchen auftrat.
William wählte einen Jungen aus, der mit Selena chatten wollte, und schickte Max Lopez eine Antwort. »Hey, Baby«, schrieb William immer noch als Selena. »Was machst du gerade?« Max antwortete, und die beiden ergingen sich in dümmlichem Smalltalk. Max ahnte natürlich nicht, dass er sich in Wirklichkeit mit einem einundzwanzigjährigen Mann aus Großbritannien unterhielt. »Ich bin ganz wuschig :D«, tippte William. Die darauffolgende Unterhaltung hatte William schon Hunderte Male zuvor geführt.
Wochen später beschrieb William diese Unterhaltung in einem ruhigen Café. Dabei sah er zur Seite und presste seine Hände fest aneinander. Auf der Suche nach den Erinnerungen schien er in Trance zu geraten und gab einen eigenartig aufreizenden Dialog wieder, ganz als sei er wieder Selena: »Tut mir leid«, hatte er sich bei Max Lopez entschuldigt. »Ich hätte das nicht sagen sollen. Es ist furchtbar.« »Ist schon okay«, hatte Max geantwortet. »Mit meinem Freund ist zurzeit gar nichts anzufangen, und ich will einfach nur richtig schmutzig sein.« »Das solltest du lieber nicht tun, wenn du einen Freund hast.« »Ich weiß. Es ist furchtbar … Manchmal finde ich einen Typen, der mitmacht.« »Oh. Du hast schon Typen gefunden, die was gemacht haben?« »Ja.« »Dann findest du heute hoffentlich auch einen.« »Ich hatte irgendwie gehofft, dass du es wärst.« Pause. »Das war blöd.« »Nein, mach dir keinen Kopf.« »Verschickst du normalerweise Bilder?« »Nicht wirklich.« »Na, wenn dir das nicht zu schräg ist, dann könnte ich dir ein Bild schicken. Und wenn es dir nicht gefällt, ist das auch okay.«
William wühlte in seiner Pornosammlung aus dem Internet und fand ein Foto vom Busen einer jungen Frau. Nach Selenas Profilbild zu urteilen, konnte er als
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