Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
ihr Busen durchgehen. Dann schickte er das Bild ab. Er wollte damit erreichen, dass Max ihm ein Foto seiner eigenen Genitalien zurückschickte, und sein Plan ging auf. Kaum hatte William das Foto des Busens weggeschickt, schickte Lopez prompt ein Bild von seinem Penis zurück. »Die wollen alle immer unbedingt hören, was für einen tollen Penis sie haben«, kommentierte William. »Ich hab keine Ahnung, wie Typen auf die Idee kommen, dass Mädchen das sehen wollen, aber es funktioniert.« »O mein Gott, das ist so geil«, hatte William ihm zurückgeschrieben. Gleichzeitig hatte er ein anderes Browserfenster geöffnet und Max’ Foto in der privaten Facebook-Gruppe für seine /b/rüder gepostet. »Fügt alle Max Lopez als Freund hinzu«, forderte er sie auf.
Kurz darauf wurde Max mit Freundschaftsanfragen von fünfzig falschen Facebook-Profilen bombardiert. Max war offensichtlich kein misstrauischer Mensch, denn er akzeptierte fünfzehn davon. William und seine /b/-Kohorten gingen auf Max’ Profilseite und suchten nach Facebook-Freunden mit demselben Nachnamen, Lopez. Die Gruppe fand schließlich einen Account, von dem sie dachten, er könnte Max’ Bruder gehören, und William ließ sich diese Information von Max selbst bestätigen. »Oh, ich glaube, dein Bruder und ich waren auf derselben Schule«, sagte er immer noch als Selena. »Wie hieß er noch mal?« Max’ Antwort war: Kevin. Damit hatten William und die /b/rüder Max’ engste Familienangehörige ausgemacht. Es war Zeit zuzuschlagen.
»Denk nicht einmal daran, mich zu blockieren«, schrieb William plötzlich. Die Charade als Selena war zu Ende, und das konnte man praktisch hören in dem, was er schrieb. »Ich habe das Bild von deinem Penis, und ich werde es an deine gesamte Familie schicken, wenn du mir nicht dein Facebook-Passwort gibst.« Max Lopez war erst fassungslos, dann verstört. Er war siebzehn Jahre alt und in seiner Kirchengemeinde aktiv. Das würde einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen. »Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich musste einfach lachen«, erinnerte sich William. In seiner Verzweiflung gab Max sein Passwort heraus, aber William hielt sich nicht an seinen Teil der Abmachung. Er loggte sich in Max’ Account ein und postete das Penisfoto auf der Pinnwand von Max’ Mutter mit dem Kommentar: »Hi, Mom. Das ist ein Bild von meinem Schwanz. Bin gespannt, was du davon hältst. LOL.« William gab mehreren /b/rüdern aus seiner privaten Facebook-Gruppe Zugang zu Max’ Account. Sie schickten das Foto an zehn Freunde und Angehörige von Max. Da sie es von verschiedenen Accounts schickten, war es praktisch unmöglich, sie alle zu blockieren. Während die anderen Max’ soziales Netzwerk mit seinen Genitalien konfrontierten, zog William dieselbe Masche mit weiteren Jungs von Selenas Chatliste durch.
William hatte seit Monaten nicht mehr so gelacht wie in dieser Nacht. Sein »perfekter Abend« endete gegen neun Uhr am nächsten Morgen. Am Ende hatte sein Team zehn verschiedene Facebook-Accounts gehackt. Ohne Williams Zugang zu Selenas Account wäre das nicht möglich gewesen. »Wir haben einige Beziehungen zerstört und ziemlich viele Mütter vor den Kopf gestoßen«, erinnerte sich William. »Bei so was habe ich immer besonders viel Spaß: einer Mutter ein Bild vom Schwanz ihres Sohnes zu schicken. Allein die Vorstellung, dass mir so was passieren könnte, ist so unglaublich peinlich, dass ich darüber lachen muss.«
Doch es gab etwas, das ihm noch mehr Spaß bereitete. Mit fünfzehn Jahren hatte er mit dem Pedo-Baiting angefangen. Dabei erregte man einen Mann online sexuell und verpasste ihm dann im letzten Moment eine kalte Dusche, indem man drohte, ihn vor Familie und Freunden bloßzustellen oder gar bei der Polizei zu melden. Das Opfer wechselte dabei in Sekundenschnelle von einem Gefühlsextrem in das komplette Gegenteil und bekam dadurch einen kleinen Eindruck davon, was William sein ganzes Leben lang fühlte. Er nannte es eine »Bleichmitteldusche, eine reaktive Depression, ein Gefühl von Hitzewallung und Kälteschauer zur selben Zeit«. Ein Einbruch in einen Facebook-Account veränderte nicht den Lauf eines Lebens, aber zu wissen, dass seine Opfer zumindest für einen Moment lang fühlten, wie ihr Leben in sich zusammenbrach, verschaffte ihm einen Kick.
»Wenn ich behaupten würde, dass da ein großartiger Sinn dahintersteckt, würde ich lügen«, gab er zu. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte sich,
Weitere Kostenlose Bücher