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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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von /b/ Job, Familie und alles, was ein normales Leben ausmacht, völlig egal. Sowohl Jake als auch William gefiel die Vorstellung von einem Leben, das keinerlei Auswirkungen auf echte Menschen hatte. William kam mit dem Bloggen gerade so über die Runden. Er benutzte ein cleveres Webskript, mit dem er Google Ads nutzen konnte, ohne allzu viel schreiben zu müssen. Gegen Ende des Monats wollte er auf das europäische Festland fliegen und dort in einer der großen Hauptstädte auf der Straße leben. Er hatte es satt, seinem Vater und seinem Bruder zur Last zu fallen, und er hatte es satt, dass sie es hörten, wenn er Gitarre spielte. »So wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen ist ein echt schöner Gedanke. Es ist, als wäre man nie geboren worden«, meinte Jake. Kein richtiges Zuhause, kein Name in irgendeiner staatlichen Akte, keine Fingerabdrücke. Namenlos zu sein, ohne Identität, von keinem System erdrückt werden, sondern »überall unbelastet leben«, danach sehnten sich beide im echten Leben.
    Hatten vielleicht ihre Erfahrungen mit Anonymous, die häufigen Zerstörungen, die fast immer folgenlos blieben, diese Sehnsucht in ihnen geweckt?
    »Das macht Anon und die Internetkultur«, sagte Jake. »Online sieht man alles: extreme Gewalt, widerliches Zeugs, und man merkt, dass es einem egal ist. Warum sich wegen Kleinigkeiten aufregen? Es gibt immer etwas noch Größeres oder Kleineres, Besseres oder Schlechteres. Fast alles, was wir tun, hat schon mal jemand vor uns gemacht.« Was auf /b/ vor sich ging, dürfe man nicht zu ernst nehmen, ergänzte William. Diese Dinge passierten einfach. »Nichts ist von Bedeutung.« »Ganz genau«, bestätigte Jake. »Darum geht es doch im Leben. Die Leute glauben, wir seien den Tieren überlegen. Und sie suchen nach diesem Missing Link. Aber was ist, wenn wir diese Übergangsform zwischen Tieren und den eigentlichen Menschen sind, die sich noch gar nicht entwickelt haben? Es ist ziemlich anmaßend zu sagen, wir stehen über allem anderen im Universum, weil wir miteinander kommunizieren können.« »Das ist so arrogant«, gab William ihm recht. »Die Bienen erkannten früher als wir, dass die Erde rund ist«, erläuterte Jake. »Also sind Bienen klüger als wir.« »Sie machen bloß nicht so einen Wirbel darum«, ergänzte William.
    Wurde Anonymous wirklich zu ernst genommen?
    »Anonymous nimmt Anonymous zu ernst«, warf William schnell ein. »Als ich angefangen habe, war es zu fünfzig Prozent Spaß und zu fünfzig Prozent ein Mittel, um Zeit totzuschlagen, und das war’s. Jetzt sind da diese ganzen politischen Botschaften, und mir ist das alles einfach nur egal. Mich nerven diese reichen Kids, die rumheulen, wie sehr sie unterdrückt werden. Es gibt sehr viel schlimmere Dinge in dieser Welt als das Urheberrechtsgesetz [das als einer der Hauptgründe für die aktuellen Angriffe durch Anonymous genannt wurde]. Aber auch deswegen sollte man meiner Meinung nach keinen Aufstand machen.« »Damit habe ich ein Problem«, gab Jake zu. »Manchmal ist mir etwas wahnsinnig wichtig, und im nächsten Moment ist es mir egal. Wenn ich das jemandem in der echten Welt erkläre, halten sie mich für schizophren.« »Manchmal passiert etwas, und es ist dir plötzlich wichtig«, sagte William. »Für 30 Sekunden bedeutet es etwas.«
    Das klang zunächst einmal ungewöhnlich. Aber genau betrachtet war es nicht anders als die vierundzwanzigstündige Halbwertzeit einer Nachrichtenmeldung oder ein Hype um die neuesten Schlagzeilen. Auch die verschwanden schnell wieder aus dem Kurzzeitgedächtnis der Menschen. »Genauso ging es mir, als ich die Pressemeldungen für LulzSec schrieb«, erzählte Jake. »›Wichtig, wichtig, wichtig.‹ Dann löst die Meldung einen Shitstorm in den Nachrichten aus, und ich denke mir: ›Was soll’s.‹ Ich fühle mich schlecht, weil Leute verhaftet und aufgehetzt werden, und hinterher ist mir das egal. Wie die AntiSec-Bewegung.« »Die Meinungen über solche Sachen ändern sich ständig«, warf William ein. »Vielleicht liegt es daran, weil wir jung und beeinflussbar sind. Vielleicht sind wir aber einfach nur ehrlich, wenn wir unsere Meinung ändern.« »Vielleicht ist uns etwas auch nur wichtig, weil das Gefühl des Sieges unser Leben bereichert«, überlegte Jake und bezog sich dabei auf die groß angelegten Attacken mit Anonymous und die großen Erfolge von LulzSec. »Dann lässt das Gefühl nach, und es ist dir plötzlich egal.«
    Hatten sie jemals das Gefühl,

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