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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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seinen Frust mit der Seite, die er so häufig besuchte, und dass es dort inzwischen von »Newfag-Ungeziefer« wimmelte, eifrigen jungen Teilnehmern, die keine Ahnung von der 4chan-Kultur hatten und viel zu brav waren.
    Wie William war auch Jake kein besonders versierter Hacker, aber er kannte sich ein wenig mit Programmiersprachen aus. Als William erwähnte, dass er sich in diesem Bereich weiterbilden wolle, zog Jake sein Netbook heraus. WLAN-Karte und Ethernetanschluss waren bei dem kleinen Laptop ausgebaut, damit man auf keinen Fall eine Verbindung mit dem Internet herstellen konnte. Aber Jake konnte immer noch mit Zalgo script herumspielen, einer Art programmierbarer Schriftart, die mehrere Byte an Daten in einen Buchstaben packte. Für ein bisschen Spaß verschickte man einfach eine Skype-Nachricht in dieser Schrift. Damit konnte man das Programm des Empfängers zum Abstürzen bringen.
    Jake begann zu tippen. »Wenn du das bei Skype eingibst, wird dein Text umgedreht«, erklärte er. William war offensichtlich beeindruckt. »Dein Gedächtnis ist der Wahnsinn«, sagte er kopfschüttelnd und beugte sich weiter vor. Jake hatte ihm noch mehr zu zeigen. »Du installierst einfach die Zeichentabelle in Windows, lädst das Zeug irgendwo ab, und es richtet ein Riesendurcheinander an«, erklärte er wild tippend. »Das funktioniert mit Windows?« »Ja, es ist ein bisschen kompliziert.« »Dann entsprechen acht Byte also … einem Bit«, meinte William zögernd. »Acht Bit entsprechen einem Byte.« Jake gab William eine Lehrstunde in den Grundlagen der Programmierung. »Ja, ja.« William lachte leise und entspannte sich ein wenig. »Ich hab keine Ahnung von dem ganzen Zeug.« »Ich bin ein ziemlicher Fan von Unicode.« Jake zuckte mit den Schultern. Er schloss das Netbook, steckte es wieder ein, und die beiden begannen, sich über Anonymous zu unterhalten und darüber, wie es sie verändert hatte.
    »Ich bin dadurch extremer geworden«, sagte William. »Ich habe früher schlecht geschlafen. Heute schlafe ich furchtbar. Früher war ich oft sarkastisch. Jetzt bin ich meistens ein Arschloch.« Er »mochte« es nicht nur, Menschen zu quälen, er liebte es. Er »mochte« Pornos nicht nur, er sah sie sich jeden Tag an. »Das berührt mich alles nicht«, ergänzte er. »Mir ist einfach alles egal.« William hatte früher schon erklärt, er richte sich nach keinen moralischen Grundsätzen. Er entschied in jedem Fall spontan, aus dem Bauch heraus. Ernest Hemingway drückte es so aus: »Bisher weiß ich nur so viel über Moral, dass das moralisch ist, wonach man sich wohl fühlt, und dass das unmoralisch ist, wonach man sich schlecht fühlt …«
    Jake nickte. »Ich sehe das genauso«, bestätigte er. »Ich bin dadurch unempfindlicher geworden. Ich kann mir ansehen, wie die Zwillingstürme einstürzen, und nebenbei japanischen Dubstep hören. Auf der einen Seite ist es entsetzlich, aber auf der anderen Seite wirkt es auch irgendwie normal, wie etwas, das man jeden Tag sieht.« Diese Kultur verstand kaum jemand, der nicht zu Anonymous gehörte. Sie lebten sich mit ganzen Menschenmassen im Internet aus und hatten dadurch den Bezug zur Realität verloren. Sie blendeten einige Konsequenzen einfach aus. Anonymous war für ein paar üble Sachen verantwortlich, aber die einzelnen Mitglieder waren an sich keine schlechten Menschen.
    Wie um das zu verdeutlichen, drehte sich eine Frau am Nebentisch plötzlich zu Jake und William um und fragte, ob sie wüssten, wie man mit dem Handy eine Verbindung zum WLAN-Netz des Restaurants bekam. Die beiden sahen sich kurz an und erklärten dann, sie hätten beide kein internetfähiges Handy. Es tat ihnen wirklich leid, und so versuchten sie, der Frau mit Ratschlägen weiterzuhelfen. »Vielleicht fragen Sie am besten die Mitarbeiter hier im unteren Stockwerk?«, schlug William vor. »Tut mir leid.« Die Frau lächelte und wandte sich wieder ihren Panini zu. Sie wäre wohl nie auf die Idee gekommen, dass die beiden höflichen jungen Männer zwei berüchtigte Mitglieder von Anonymous gewesen waren.
    Fälschlicherweise wurde allgemein angenommen, dass es auf /b/ und bei Anonymous keinerlei Moral oder Anstand gab. »Das bedeutet nicht automatisch, dass man etwas Schlechtes tut«, widersprach William. »Es bedeutet nur, dass es keine Regeln gibt. Wir mutieren nicht bei jeder Gelegenheit zur Drecksau.« »Manchmal ist es auch nett, einfach nett zu sein«, ergänzte Jake.
    Wie William war vielen Hardcore-Usern

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