Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
veröffentlichte das Team den neuen Webviewer mit allen 71.800 E-Mails von HBGary. Darunter waren 16.906 E-Mails von Aaron Barr, über 25.000 E-Mails von zwei weiteren führenden Angestellten von HBGary und 27.606 E-Mails des Chefs von HBGary Inc., Greg Hoglund, einschließlich eines kitschigen Liebesbriefs von seiner Frau Penny, in dem sie schrieb: »Ich liebe es, wenn du deine flauschigen Socken zum Pyjama trägst.«
Immer mehr Journalisten berichteten über die Sache, und sie blieb über einen Monat lang in den Nachrichten. Es war ein skrupelloser Angriff gewesen, aber er hatte dazu geführt, die Spionage, Falschinformationen und Cyberangriffe eines Sicherheitsexperten aufzudecken. Kaum jemand wies darauf hin, dass die Typen von Anonymous mit genau denselben Methoden arbeiteten.
Gegen Ende Februar 2011 trat Barr von seinem Chefposten bei HBGary Federal zurück. Eine Woche später verlangte das demokratische Kongressmitglied Hank Johnson eine Untersuchung der Verträge, die Regierung, Militär und NASA mit HBGary Federal und deren Partner Palantir und Berico Technologies abgeschlossen hatten. Johnson hatte Berichte über den Skandal gelesen und ließ seine Mitarbeiter die Angelegenheit überprüfen. »Ich empfand es als meine Pflicht, eine weitere Untersuchung voranzutreiben«, sagte Johnson damals in einem Interview. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass Firmen mit öffentlichen Aufträgen wie HBGary Federal Computerprogramme entwickelten, die für die Terrorismusbekämpfung gedacht waren, »um sie für Überwachungen im Inland einzusetzen und an irgendwelche Unternehmen zu verkaufen«. Es war schon schlimm genug, wenn man die eigenen Bürger bespitzelte.
»Wenn ihr wieder so etwas vorhabt«, bat Laurelai Kayla, nachdem sie einen Blick auf das Chaos geworfen hatte, das der Angriff auf HBGary ausgelöst hatte, »kannst du mir dann Bescheid geben, damit ich darüber schreiben kann?« »Klar«, antwortete Kayla. Und sie hielt Wort. Wenige Tage später fragte Kayla Laurelai, ob sie sehen wollte, wo gerade etwas los war, und lud sie dann in einen neuen exklusiven IRC-Kanal ein, wieder bei AnonOps, namens #HQ.
#InternetFeds war inzwischen geschlossen worden, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, einer der etwa 30 Teilnehmer ließe die Chatlogs nach außen dringen. Der neue Raum, #HQ, war kleiner, und es waren nie mehr als sechs Leute gleichzeitig drin. Alle Beteiligten am Hack bei HBGary Federal waren dabei. »Häng einfach hier rum, und du bekommst mit, wenn sich was Neues ergibt«, riet Kayla. Laurelai freute sich über die Einladung in #HQ und hoffte, dabei sein zu können, wenn weitere White-Hat-Sicherheitsfirmen bloßgestellt wurden, die sich nur an ihre eigenen Gesetze hielten und mit Sachen davonkamen, für die Anons im Gefängnis landeten. Bereits im Januar hatte das FBI vierzig Wohnungen von Leuten durchsucht, die im Verdacht standen, an den DDoS-Angriffen auf PayPal beteiligt gewesen zu sein, und auf einer Liste mit tausend IP-Adressen auftauchten, welche die Firma identifiziert hatte.
Laurelai zeichnete heimlich alles auf, was im #HQ-Raum gesprochen wurde, auch wenn sie selbst nicht drin war. Sie hatte die vergangenen beiden Jahre damit zugebracht, alles übers Hacken und Social Engineering zu lernen, und sie wollte festhalten, was um sie herum gesprochen wurde. Die Logs konnten später nützlich sein, um nötigenfalls etwas be- oder widerlegen zu können. Ein Chatlog aufzuzeichnen war für Laurelai Standardvorgehen. Allerdings war sie zunehmend enttäuscht von dem Gesprächsniveau im Raum. »Die haben sich aufgeführt wie ein verdammter Haufen Kinder«, erinnerte sie sich später.
»Geniale Truppe hier«, meinte der als Marduk (oder auch Q) bekannte Hacker am 8. Februar, dem Tag, als Aaron Barr mit seiner Familie aus seinem Haus floh. »Das schreit nach einer Anon-Skype-Party«, sagte Topiary. (Sie fand tatsächlich statt, aber nur mit den Leuten von AnonOps, die in Kauf nahmen, dass man ihre echte Stimme hörte.)
Es wurden immer wieder Vorschläge für kleinere Projekte vorgebracht. Marduk hatte starke politische Überzeugungen und schien älter zu sein als die meisten anderen. Eines Tages bat er Kayla, nach Schwächen auf den Websites algerischer Handyprovider zu suchen. Er suchte nach Datenbanken mit Zehntausenden Handynummern algerischer Bürger, die er der Oppositionspartei im Land für eine Massen-SMS am 12. Februar zur Verfügung stellen wollte. Damit sollte ein weiteres Mal der demokratische
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