Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Anonymous steckten. Ihr war kurz nach dem HBGary-Coup klargeworden, dass Anonymous am besten zu Fall gebracht werden konnte, indem man zeigte, dass sich dahinter Menschen verbargen, die eben nicht anonym waren. Sie musste nur ihre echten Namen herausfinden. Und dank Laurelai war sie kurz davor, den von Sabu zu erfahren.
Teil 2: Ruhm
Kapitel 12: Die Stimme der
Bewegung
Mitte Februar 2011 vertiefte sich Jennifer Emick in die #HQ-Logs, die Laurelai ihr übergeben hatte, und Topiary erfreute sich im Chatnetzwerk von AnonOps neuer Popularität. Dort hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass er am HBGary-Angriff beteiligt gewesen war und Aaron Barrs Twitterfeed gekapert hatte. Unter Anons war das der Stoff für Legenden, und Topiary galt als ein Anon, der wusste, wie man richtig Spaß ‒ oder Lulz ‒ hatte. Wenn Jake sich jetzt als Topiary bei AnonOps anmeldete, bekam er ein halbes Dutzend privater Nachrichten, in denen man ihn einlud, bei einer Aktion mitzumachen, ihm die Logs des CEO einer französischen Sicherheitsfirma anbot, ihn bat, in einem persönlichen Streit zu schlichten, oder ihn in Publicityfragen um Rat fragte.
Etwas Ähnliches geschah mit Anonymous insgesamt. Im Februar kam über öffentliche Kanäle bei AnonOps eine Flut von Anfragen von Leuten außerhalb des Netzwerks, die, wie sie dachten, eine Gruppe organisierter Hacker baten, bestimmte Ziele anzugreifen. Zu den angefragten Zielen gehörten die Websites anderer IT-Sicherheitsfirmen, private Websites sowie Regierungswebsites in Libyen, Bahrain und dem Iran. Und natürlich Facebook. In keinem dieser Fälle passierte etwas.
Die meisten Aktionen entstanden aus Unterhaltungen direkt im AnonOps-IRC, besonders Unterhaltungen zwischen Operatoren wie Owen und Ryan. Es gab keine Zeitpläne, und es wurden keine Maßnahmen ergriffen. Oft wurde mit der Planung einer Op begonnen und bei der ersten Schwierigkeit wieder aufgegeben. Alles schien gleichzeitig zu passieren. Topiary selbst beendete kaum ein Projekt, bevor er mit dem nächsten begann. Im einen Moment schrieb er eine Defacement-Botschaft, um sich im nächsten Moment wieder die E-Mails von Aaron Barr vorzunehmen.
Nachdem er zu #InternetFeds eingeladen worden war, genoss er bei den Operatoren der Chatkanäle außergewöhnlich hohes Ansehen. Manchmal flitzte er den ganzen Tag lang immer wieder von einem Chatkanal in den nächsten, riss in einem Moment Witze und gab im nächsten ernsthafte Ratschläge zu einem Nebenprojekt, bevor er zufrieden schlafen ging. Es fühlte sich besser an als die Scherzanrufe für 4chan und anders als alles, was er jemals in der realen Welt erlebt hatte, insbesondere in der Schule. Operatoren und andere Hacker beschrieben ihn als »charmant« und »witzig«. Sein Schreibtalent war in einer Welt, in der man schriftlich kommunizierte, ein großer Vorteil, und Topiarys Stil war geprägt von einer Art erwachsenem Weltschmerz, der viele Anons ansprach.
Topiary hatte in der realen Welt nur wenig Kontakt mit anderen Menschen. Ab und zu besuchte er seine Familie oder ging einkaufen, und ganz selten traf er sich mit alten Freunden aus derselben Stadt, die er von Online-Spielen kannte. Wahrscheinlich fanden neunzig Prozent seiner Sozialkontakte online statt. Und das war ihm ganz recht so. Er liebte es, Menschen zu unterhalten, und er stand unmittelbar vor dem Scherzanruf seines Lebens.
Seit Anfang Januar hatten Unterstützer von Anonymous immer wieder eine Aktion gegen die Westboro Baptist Church vorgeschlagen, eine umstrittene religiöse Gruppierung aus Kansas, die bekannt dafür war, dass sie bei Beerdigungen von Soldaten mit »GOTT-HASST-SCHWUCHTELN«-Schildern aufmarschierten. Sie behaupteten, Gott bestrafe die USA, weil sie Homosexualität »ermöglichten«. Westboro war ein natürliches Ziel für Anonymous, obwohl die Religionsgemeinschaft nur ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausübte, für das Anonymous eigentlich eintrat.
Trotzdem wurde der Fehdehandschuh schließlich geworfen. Am 18. Februar wurde aus heiterem Himmel ein öffentlicher Brief auf dem frei zugänglichen AnonNews.org gepostet, in dem in auffallend formaler Sprache eine Drohung ausgesprochen wurde. »Wir hielten euch und euresgleichen schon immer für eine Ansammlung schamloser Soziopathen und geisteskranker Chauvinisten«, hieß es in dem Brief. »Anonymous kann ein solches Verhalten nicht mehr länger tolerieren.« Wenn Westboro diese Warnung ignorierte, würde sie »die Vergeltung von Anonymous mit
Weitere Kostenlose Bücher