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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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Jester keine Uhrzeit und verschwieg auch, dass es um eine Radiosendung ging, falls einer seiner Leute die Sache verhindern wollte. Er hielt sich bedeckt. Jesters Weigerung bewies, dass er in die Sache verwickelt war. Außerdem fügte er geheimnistuerisch hinzu, man übe »massiven Druck« auf ihn aus, damit die Website nicht wieder online gehe. Ein wenig verwirrt und verärgert gab Topiary auf und kehrte zu #InternetFeds zurück. Sie würden sich wohl mit einem Angriff auf eine weniger wichtige Seite begnügen müssen.
    Wie bei den vorherigen zehn Defacement-Botschaften, die er für Anonymous im letzten Monat geschrieben hatte, verfasste er auch diese mit dem einfachen Notepad++-Programm. Den fertigen Text kopierte er dann in das Textfeld von Pastehtml und schrieb den HTML-Code darum herum. Alle Defacement-Seiten bestanden aus einfachem schwarzem Text auf einem weißen Hintergrund. Topiary hatte mit komplexeren Layouts experimentiert, aber keines davon hatte dieselbe Wirkung. Das nackte Schwarz-Weiß hob sich am stärksten von den maßgeschneiderten Webseiten ab, an deren Stelle es trat. Oft ging er in die verschiedenen Chatrooms des AnonOps-IRC und notierte sich alle philosophischen Aussprüche von Leuten über Anonymous oder die Welt als solche, um sie später in seine Texte einzubauen. Anons wurden sich zunehmend bewusst, dass ihre Meinungen gehört wurden, denn Journalisten zitierten immer wieder Zufallsbemerkungen aus den AnonOps-Chatrooms.
    Topiary handelte nicht ganz uneigennützig. Im Vorfeld der Westboro-Aktion und insbesondere nach der Pakman-Show wurde sein Nickname bekannter. »Ich wollte diese ganze Aufmerksamkeit nicht«, sagte er später. Er wollte eigentlich nicht, dass die Öffentlichkeit und die Behörden seine »Stimme« hörten oder lasen. Er postete jede seiner Pressemeldungen bei Pirate Pad und bat andere Anhänger und Philosoraptors, sie zu bearbeiten. »Ich ließ sie zehn Minuten dort, aber nichts passierte«, sagte er. »Alle sagten nur, nein, es ist toll. Ich weiß nicht, ob sie Angst hatten oder ob sie mir einfach nicht sagen wollten, dass etwas falsch war.«
    Am nächsten Tag, kurz vor der Sendung, fragte er einen Freund bei AnonOps, wie er mit der Sprecherin der Westboro-Baptisten umgehen sollte. »Lass sie einfach reden«, riet der Freund. »Du musst sie nicht bloßstellen. Das macht sie schon selbst.« Die nächsten zehn Minuten versuchte Topiary, seine Nerven mit Musikhören zu beruhigen, mit einem ruhigen Titel von World’s End Girlfriend. Das half bei ihm immer. 30 Sekunden vor dem Beginn der Sendung rief Pakman bei Topiary an. Im Hintergrund war zu hören, wie Shirley Phelps-Roper mit ihrem Südstaatenakzent sich über die Kameraeinstellungen beschwerte.
    Pakman erkannte Topiarys Stimme sofort von dem Interview mit Russia Today und von der Tom-Hartman-Sendung wieder. Pakman war erleichtert, es tatsächlich mit einem echten Sprecher von Anonymous zu tun zu haben. Kurz darauf war auch Phelps-Roper zugeschaltet, und auf den Fernsehbildschirmen waren drei Bilder zu sehen: Pakman in einem schwarzen Jackett mit seinem Mikrofon, Shirley mit blitzenden Augen in einem Büro mit Bücherregal und Drucker im Hintergrund, die blonden Haare von einem Kopfhörer nach hinten geschoben, und das Bild eines riesigen Hais, der von Batman mit einem Lichtschwert angegriffen wird, für Topiary. Immer wenn Topiary sprach, leuchtete sein Bild blau.
    »Tja, heute haben wir alle hier«, sagte Pakman. Er stellte Topiary als einen »Sprecher von Anonymous« vor und sprach ihn danach nur noch als »Anonymous« an. »Hat Anonymous der Westboro Baptist Church gedroht?«, wollte er wissen. »Nein, davon war nie die Rede, äh …« Topiarys tiefer Bariton klang fast wie ein Knurren. Er hatte einen ungewöhnlichen Akzent – ein schottischer Singsang mit einem leichten skandinavischen Einschlag. Sein Laptop stand auf einem Tisch, und er sah in eine andere Richtung. So hatte er es bei jedem Scherzanruf gemacht – er hatte einfach einen Punkt fixiert, mal war es die Zimmerdecke, ein Buchrücken, manchmal hatte er auch aus dem Fenster gesehen.
    »Shirley, Sie sind überzeugt davon, dass Anonymous den Webseiten von Westboro nichts anhaben kann?«, fragte Pakman. »Niemand kann diese Worte zum Schweigen bringen, die … aus Zion GEBRÜLLT werden!«, schrie sie. »Ich meine, ich sage das zu einem kleinen Juden.« David sah seinen Aufnahmeleiter an und lächelte. »Okay.« Pakman wurde plötzlich ernst. »Also, Anonymous,

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