Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Baptist Church nach. Da finden Sie eine nette kleine Nachricht von Anonymous.« Phelps-Roper schien unbeeindruckt. »Nett«, murmelte sie und rollte mit den Augen. »Dot com, haben Sie gesagt?«, fragte Pakman. Sein Team hatte bereits die genaue URL des Webauftritts, der gehackt werden sollte, weil Topiary sie ihnen per E-Mail im Voraus geschickt hatte. »Deswegen hat der Aufnahmeleiter sie so schnell gefunden«, erklärte Topiary später. »Ja, wir haben dort einen netten kleinen Text veröffentlicht, während Shirleys Predigt«, sagte Topiary in der Sendung. »Während wir dieses Interview geführt haben.«
Pakman kicherte und schien überrascht. Er warf seinem Aufnahmeleiter einen Blick zu und zeigte auf etwas hinter der Kamera. »Ja, uns reicht es jetzt. Wir haben uns anständig verhalten und gesagt, wir wollen keinen Krieg. Dann ging Shirley ins Radio und hat angefangen, na ja … sie sagt, ich komme in die Hölle, also wollten wir ihr ein bisschen etwas zeigen.« »Also, warten Sie mal«, sagte Pakman und nickte wieder jemandem hinter der Kamera zu. »Ich bekomme hier gerade ein Zeichen von der Regie, dass eine Nachricht veröffentlicht wurde, die anscheinend von Anonymous stammt.« Ein Screenshot der Nachricht, die Topiary zuvor verfasst hatte, erschien plötzlich auf dem Bildschirm: das Anonymous-Logo, ein kopfloser Mann im Anzug, auf einem einfachen weißen Hintergrund hatte den Platz der Seite eingenommen, auf der die Westboro Baptist Church normalerweise ihre Downloads zur Verfügung stellte. »Anonymous, sind Sie dafür verantwortlich?«, fragte Pakman noch einmal. »Yep«, bestätigte Topiary. »Wir haben es gerade eben, in dieser Sekunde gemacht.« »Na super«, mischte sich Phelps-Roper plötzlich ein. »Ganz toll.«
Topiary setzte zu einer Erklärung an. »Sie haben gesagt, wir könnten Ihre Website nicht lahmlegen. Nun, wir haben es gerade getan«, sagte er. »Ich meine …« »Was ich Ihnen gesagt habe, war, dass Sie uns nicht zum Schweigen bringen können. Nichts anderes.« Damit endete die Sendung.
Es war nicht der Schlag gegen Westboro, den sich Topiary gewünscht hatte, aber er war froh, dass er es wenigstens nicht vermasselt hatte. Klar wurde Phelps-Roper von dem Defacement ihrer Webseite live in der Sendung überrascht. Aber sie hatte jahrelange Erfahrung darin, selbst die vernünftigsten Argumente mit bissigen, sarkastischen Kommentaren abzuschmettern, und war damit gegen fast alle Trollmethoden immun. »Ich bin im Lauf der Zeit einigen üblen Trollen und Anti-Trollen begegnet, aber Shirley trat als eine Art neuartiger Supertroll auf und hat mich kalt erwischt«, erklärte Topiary.
Mit ihren vernichtenden Kommentaren lag sie nicht einmal ganz falsch. Im Endeffekt richtete Anonymous mit seiner Hauptwaffe gar keinen großen Schaden an. Die Anons hatten eine kaum genutzte Seite im Netzwerk der Kirche entstellt – »ganz toll« –, und sogar der Effekt wurde durch die verwirrende Nebenoperation von Jester noch geschmälert.
Aber das alles zählte in den Tagen nach dem »Westboro-Live-Hack« erst einmal nicht. Topiarys Showdown mit Shirley Phelps-Roper wurde schnell zum beliebtesten YouTube-Video der Woche. Anfangs war Topiary von den steigenden Aufrufzahlen noch fasziniert, bevor sie ihn ein wenig einschüchterten. Erst waren es zehntausend, dann zwanzigtausend, und nach fünf Tagen hatten über 1 Million Menschen das Video gesehen. Zu diesem Zeitpunkt wusste Topiary bereits, dass der Grat zwischen Erfolg und Fehlschlag bei dem Anonymous-Publikum sehr schmal war. »Es musste Humor im Spiel sein, ein oder zwei Meme, aber auf keinen Fall zu viele«, erinnerte er sich später. »Es durfte nicht zu offensichtlich sein – eine Art Was-zur-Hölle-ist-das.jpg, also entschied ich mich für Batman, der einen Hai mit einem Lichtschwert angreift.« Schließlich brauchte man ein perfektes Opfer: Shirley. »Sie ist wie diese Frau aus den Simpsons, die Katzen durch die Gegend wirft, nur redet sie eben über Zion und tote Soldaten.« Neben ihr konnte Topiary gar nicht böse wirken. »Ich war so froh, dass ich nie in ihre irren Augen gestarrt habe«, fügte er hinzu. »Ihr Gesicht habe ich erst gesehen, als ich mir das Video auf YouTube angeschaut habe. Hölle, Mann.«
Gleichzeitig stieg aber eine ernsthafte Sorge in ihm auf: »Über eine Million Menschen haben meine Stimme gehört.« Er war stolz darauf, aber gleichzeitig auch ziemlich beunruhigt. Wenn nur einer seiner persönlichen Bekannten das Video
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