Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
abgeben.« »Sie haben keine Beziehung mit Aaron Barr?« Brown spürte, dass ihm das Gespräch entglitt, und er geriet ins Schwimmen. »Bitte rufen Sie in unserer Presseabteilung an. Dort spricht man gerne mit Ihnen.« »Danke«, sagte Brown. »Danke Ihnen. Guten Tag.«
Klick.
Brown legte auf und lachte laut. Er schrieb einen Artikel für den Blog mit der Überschrift »VP von Booz Allen Hamilton beim Lügen ertappt«, in dem er ausführte: »Er behauptete, es bestünden keine Beziehungen zu HBGary, was sich in dieser E-Mail seltsamerweise ganz anders anhört.« Brown fügte einen Link zu einer von Barrs E-Mails hinzu, in der stand: »Ich habe mich gestern mit Bill Wansley bei Booz getroffen.«
In den folgenden Tagen bombardierte Brown Topiary mit Nachrichten über HBGary. Topiary kapierte schnell, dass Brown es ernst meinte, und lud ihn in eine private Skype-Gruppe mit Gregg Housh und ein paar anderen ein, die sich genauer mit den E-Mails beschäftigten. Topiary hielt die Gruppe konstant offen. Er wurde in den folgenden beiden Wochen zunehmend in die Gespräche hineingezogen und verbrachte mindestens sieben Stunden täglich mit Recherchen über die tatsächlichen Pläne Barrs. Brown schlug schließlich einen Namen für das Projekt vor: Operation Metal Gear, nach einem alten Nintendo-Spiel. Ihr Hauptziel war es, herauszufinden, wie die Nachrichtendienste das Internet infiltrieren und soziale Netzwerke amerikanische Bürger ausspionieren. Phrasen aus dem Bereich Internetsicherheit wie Sockenpuppe, Persona-Management-Software, Data Monitoring und kognitive Infiltration tauchten immer wieder auf, und alles schien eine Verbindung zur Arbeit und Forschung von HBGary Federal und Barr zu haben. Jedes Mal, wenn Topiary im Barr-Archiv über eine E-Mail stolperte, die auf neue Informationen zu diesen Themen hinwies, schickte er den Link an Brown.
Das Projekt machte große Fortschritte, vor allem wegen Brown selbst, der nie zu schlafen schien. Oft wachte Topiary in seinem Winkel der Welt morgens auf und sah, dass Brown die ganze Nacht lang E-Mails aus dem Beutezug bei HBGary gelesen hatte. Brown erklärte dann zwei Stunden lang, was er über Nacht gefunden hatte, und sprach dabei oft mit rasender Geschwindigkeit. Das längste Konferenzgespräch mit Brown dauerte dreizehn Stunden, ein weiteres sechs Stunden.
Topiary war zunächst irritiert davon, dass Brown oft Floskeln einstreute wie »unseren Nachforschungen zufolge«. Dennoch bewunderte er Browns Arbeitsmoral und seinen leidenschaftlichen Aktivismus. Darin übertraf er die hartnäckigsten Moralfags in Anonymous um Längen.
Brown war der Sohn eines wohlhabenden Immobilieninvestors, hatte eine Vorliebe für Hemden mit Nadelstreifen und Cowboystiefel und ein Talent dafür, Topiarys Interesse immer wieder neu anzufachen. »Wir sind da gerade einer richtig großen Sache auf der Spur«, sagte er oft. »Am Anfang tat er mir leid«, erinnerte sich Topiary im Nachhinein. »Er steckte einen Haufen Arbeit da hinein, aber bei Anon kam das einfach falsch an.« Dass sein Nickname BarrettBrown lautete, machte die Sache nicht besser. »Alle hassten ihn. In den privaten Kanälen machten sich viele immer wieder über seine Methoden und seine Drogenabhängigkeit lustig.« Es war in Anon-Kreisen allgemein bekannt, dass Brown harte Drogen konsumierte. Ein Journalist, der ihn bei einem Mittagessen interviewte, erinnerte sich, dass Brown als Erstes einen Joint rauchte und danach Alkohol trank, aber nichts aß. Am Schluss nahm er eine Dosis synthetisches Heroin zu sich. Die ganze Zeit über sprach er ungewöhnlich klar. Topiary vertrat die Ansicht, Brown sei gar nicht so übel, wenn man ein paar Kleinigkeiten übersah, aber Browns weitschweifige Videos und Verschwörungstheorien »machten alles nur noch schlimmer«.
Bei Chanology und Operation Payback hatte sich gezeigt, dass Hunderte von Anons plötzlich für einen Raid oder ein Projekt zusammenarbeiteten, wenn man sie richtig beeinflusste. Aber der Schlüssel dazu war, den Spaß und die Aufregung bei einem Raid in den Vordergrund zu stellen. Topiary, inzwischen Browns Verbindungsmann zu AnonOps, war aufgefallen, dass Browns Kreuzzug gegen Korruption sich für die Anons zunächst ziemlich sexy angehört hatte. Aber allein die Tatsache, dass er ihr Interesse nur mit Mühe aufrechterhalten konnte, bewies, wie schwierig es war, die spontane, unberechenbare Macht von Anonymous nutzbar zu machen. Brown wollte Unterstützung durch Anonymous bei
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