Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Zugang hatten. Um Administratorrechte zu bekommen, riefen sie bei AT&T an und meldeten das Telefon von YTCracker als gestohlen, bekamen ein neues Telefon mit SIM-Karte und gelangten so an sein Gmail-Passwort. Damit schafften sie es, sich ins Forum von DigitalGangsters einzuhacken und auf der blockierten Seite eine Nachricht zu hinterlassen, die besagte, die Seite sei »von einem sechzehnjährigen Mädchen gehackt« worden.
Von da an wurde es für Emick immer verwirrender. Auf dieser Website wurde Kayla als Dreiundzwanzigjähriger beschrieben, aber in einem Artikel der Encyclopedia Dramatica hatte sie gelesen, »Xyrix [sei] im Partyvan-Netzwerk als Frau mit Namen ›Kayla‹ aufgetreten«. Es war allgemein bekannt, dass sich hinter Xyrix ein untersetzter, vierundzwanzigjähriger Mann aus New Jersey namens Corey Barnhill verbarg. Emick nahm fälschlicherweise an, dies bedeute, dass Kayla Barnhill war.
Kayla hatte eine Erklärung dafür, dass alle dachten, sie sei Xyrix: Im Jahr 2008 hatte sie sich in dessen Internet-Account gehackt und vorgegeben, sie sei er, um von einem Partyvan-Administrator bestimmte Informationen zu bekommen. Der Administrator dachte daraufhin, Xyrix und Kayla seien dieselbe Person, und fügte die Information in Xyrix’ Eintrag in der Encyclopedia Dramatica ein. Die Nachricht »von einem sechzehnjährigen Mädchen gehackt« auf YTCrackers Webseite könnte ein Versuch von Xyrix gewesen sein, dieses Missverständnis dazu zu nutzen, um YTCracker zusätzlich zu demütigen.
Emick war in Bezug auf Kayla auf dem Holzweg, aber sie hatte das Gefühl, auf einer heißen Spur zu sein. Sei verbrachte immer mehr Zeit in den Foren, fügte Nicknames, falsche Identitäten und Falschinformationen zusammen, die sie immer wieder auf neue Spuren brachten. Viele Hacker benutzten wechselnde Nicknames, aber aus Gründen der Glaubwürdigkeit blieben die meisten bei einem Namen. Oft reichte es schon, wenn Emick einen Nickname in Google eingab, in Foren wie DG und Reddit danach suchte und sich dann über IRC mit ein paar Freunden dieser Person unterhielt. Für die Querverweise zwischen ihren Rechercheergebnissen benutzte sie eine spezielle Software für Notizen. »Man muss schon ziemlich besessen sein«, erklärte sie später. Bald hatte sie mehrere Gigabytes an Daten auf ihrem Computer gesammelt und genug Material, um ein paar wenigen Anons ihre echten Namen und sogar Adressen zuzuordnen.
Emick wollte die Ergebnisse ihrer Recherchen so schnell wie möglich in etwas umwandeln, das Barrs unzureichenden Ansatz übertraf. Sie betrachtete es als persönliche Herausforderung, Barr auf seinem eigenen Terrain zu schlagen. Ihr war klar, dass sie dabei Hilfe brauchte. Sie kontaktierte einen alten Online-Freund aus Chanology-Zeiten und schlug vor, sich zu einem Anti-Anonymous-Team zusammenzuschließen.
Jin Soo Byun war sechsundzwanzig Jahre alt und führte als Sicherheitsbeauftragter Penetrationstests durch. Er hatte vorher als Kryptologe für die Air Force gearbeitet, war aber ausgeschieden, nachdem er im Irak Opfer eines Anschlags mit einer Straßenbombe geworden war. Bei dem Unfall hatte er schwere Hirnverletzungen und Gedächtnisverluste davongetragen, aber er hatte sich 2008 in die Chanology-Proteste gestürzt und sich unter den Nicknames Mudsplatter und Hubris einen Ruf als Meister des Social Engineering erworben. Er und Emick waren Administratoren auf Laurelais Website und bauten ihre Freundschaft über Skype, Echtzeit-Chat und Telefonate auf. Oft tratschten sie einfach nur über die Hackerszene und machten sich einen Spaß daraus, über ihre Feinde herzuziehen.
Emick erzählte Byun von ihrem Plan. Anonymous hatte sich in einen unkontrollierbaren Mob verwandelt. »Jemand muss sie aufhalten, bevor etwas richtig Schlimmes passiert«, sagte sie zu ihm. Er war dabei. Eine Zeit lang hatten Emick und Byun mit dem Gedanken gespielt, mit Byuns technologischem Fachwissen und Emicks Talent bei der Recherche eine IT-Sicherheitsfirma aufzubauen. Jetzt hatten sie diese »psychologische Operation«, wie Emick es nannte, bei der sie zusammenarbeiten konnten.
Byun kontaktierte Freunde aus dem Bereich der Internetsicherheit und fand auf diese Weise sechs Personen, die bereit waren, sie bei ihren Recherchen zu unterstützen. Einer von ihnen war Aaron Barr. »Nachdem ich das FBI bei seinen Untersuchungen unterstützt hatte, wollte ich die Gruppe mehr als vorher verstehen«, erklärte er später. »Besonders diejenigen, die uns
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