Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
und Sabu der Obermotz. Sabu kochte vor Wut. »Ich fahr zu ihm nach Hause und mach ihn fertig«, sagte er zu den anderen. Topiary und Kayla versuchten, ihn zu beruhigen. Sabu hatte Laurelai gemeint und stellte erbost fest, er habe es immer geahnt, dass »er/sie/es« ihr Vertrauen missbrauchen würde.
Am meisten ärgerte Sabu, auch wenn er das nicht zugab, dass Backtrace sein Kommentar »Ups, falsche Domäne« aufgefallen war, der sie zu »Hector Montsegur« geführt hatte. Dass jetzt ein Name, der bis auf einen Buchstaben seiner war, und seine Serveradresse offengelegt waren, konnte für Sabu zu einem echten Problem werden. Wenn die Polizei auf die Recherchen von Backtrace aufbaute, konnten sie jeden Moment an seine Tür klopfen.
Aber die Sache hatte auch ihr Gutes. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte noch niemand etwas von Backtrace gehört, und es bestand die Möglichkeit, dass man die Gruppe nicht ernst nehmen würde. Außerdem, beruhigte sich Sabu, war sein Name falsch geschrieben, seine richtige Adresse hatten sie nicht herausgefunden, und wahrscheinlich gab es mehrere Hector Monsegurs in der Lower East Side von New York. (Das stimmte tatsächlich.) Sabu dachte darüber nach, ob er die Sache, wie alle anderen, mit einem Lachen abtun und weiter mit den Leuten aus seiner neuen Gruppe hacken sollte, mit denen er sich so gut verstand.
»Alles falsch«, sagte Topiary in einem IRC-Kanal zu den anderen, nachdem er die vierseitige Namensliste von Backtrace gelesen hatte. Emick hatte ihn als Daniel Ackerman Sandberg aus Schweden identifiziert. »Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Schweden, und ich habe keine Ahnung, wer dieser Daniel Sandberg ist«, meinte er. Topiary, Kayla, Tflow und AVunit hatten sich in einem neuen IRC-Raum getroffen, um die »Enthüllungen« zu besprechen und sich ein bisschen abzulenken. »Die denken immer noch alle, ich bin Xyrix!«, freute sich Kayla. »Man könnte fast denken, dass Aaron Barr bei denen mitarbeitet ;)«, witzelte Tflow. Die Gruppe vermutete schon lange (und zu Recht), dass Barr insgeheim mit Backtrace zusammenarbeitete, weil er diejenigen drankriegen wollte, die ihn angegriffen hatten. »Bei mir haben sie nichts richtig«, stellte AVunit fest, der in Emicks Papier als »Programmierer« namens Christopher Ellison aus Ipswich, Großbritannien, beschrieben wurde. »Na gut, das mit dem ›Programmierer‹ stimmt wohl.« »Ich bin außerdem ein PayPal-Scammer«, stellte Tflow amüsiert fest. Ihm war in dem Dokument kein Name zugeordnet worden. »Bei mir stimmt nur ›Tflow‹ und ›php-Programmierer‹. Aber ich fühle mich geschmeichelt. Mein Name ist rot.« »Ist das eine neue Sportart? :D Wer die schlechteste Doxdatei erstellen kann?«, fragte Kayla.
Die Gruppe war zuversichtlich. Barrs Recherche war falsch gewesen, und Backtrace schienen auch falschzuliegen. Es versuchte immer wieder jemand, aber niemand kam an sie heran. Was sie nicht wussten, war, dass Backtrace zwar bei vielen Namen danebenlagen, dass sie bei ein paar wenigen, darunter Sabus, jedoch ins Schwarze getroffen hatten. Ein Hacker, der seinen richtigen Namen auf der Liste entdeckte, brach sofort jede Zusammenarbeit mit Anonymous ab und lebte die nächsten Monate in der Angst, jederzeit vom FBI verhaftet werden zu können. »Ich habe immer noch Herzklopfen«, sagte er bei einem persönlichen Interview etwa ein halbes Jahr später. »Die Ungewissheit bringt einen um, nicht zu wissen, ob gar nichts passiert oder ob man für fünfundzwanzig Jahre ins Gefängnis wandert. Beides ist jederzeit möglich.«
Emick hatte auch auf ihren Spion keine Rücksicht genommen, Laurelai, die auf der Liste mit ihrem alten amtlichen Namen erschien, Wesley Bailey, und die als »Transsexueller« und »Ex-Soldat aus Duncan, Idaho« beschrieben wurde. Laurelai glaubte immer noch nicht (oder wollte es zumindest nicht glauben), dass Emick die treibende Kraft hinter Backtrace war und sie verraten hatten. Niemand konnte beweisen, wer hinter dieser Anti-Anonymous-Gruppe steckte. Und das war Emick sehr recht so. Nach der Veröffentlichung der Namensliste und der #HQ-Logs gab sie weiterhin vor, ein offenes Ohr für Laurelai zu haben, wenn der »Ex-Soldat« über die leidige Angelegenheit sprach und darüber, wie sehr sie es bereute, die Chatlogs an diese Person mit dem Twitter-Namen @FakeGreggHoush herausgegeben zu haben.
Erst viele Monate später hielt Emick einen Vortrag bei der jährlichen Hackerkonferenz DEF Con in Las Vegas und outete
Weitere Kostenlose Bücher