Inside Polizei
gefasst machen.«
Er zog Igor an den Handschellen nach oben und führte ihn ohne größere Probleme durch seine Kumpane hindurch in Richtung des Streifenwagens. Dort ließ er ihn an den Wagen gelehnt auf den Boden hocken. Ein Blick auf Karin reichte ihm. Sie war immer noch völlig neben der Spur. Als er die Fahrertür öffnete, drehte sie andeutungsweise ihren Kopf. Das war’s, zu mehr, zu einem Gespräch, zu einer Entschuldigung war sie nicht in der Lage.
Paul beließ es erst mal dabei, über Funk forderte er einen weiteren Streifenwagen an und für Igor einen Gefangenentransporter. Aufgrund der Dringlichkeit seines Hilfeersuchens verging nicht viel Zeit, bis die lang ersehnte Unterstützung eintraf.
Die Situation war gemeistert.
Paul schrieb die Anzeige wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und übergab diese dann dem Wachhabenden.
Das Versagen seiner Kollegin stand natürlich nicht in dem Papier, denn dies in Schriftform zu manifestieren war unter Polizisten nicht üblich, war ausgeschlossen.
Paul suchte daher das Gespräch mit seinem Dienstgruppenleiter, den er respektierte und der immer einen guten Rat parat hatte. Nachdem er ihm den gesamten Vorfall geschildert hatte, riet ihm sein Vorgesetzter gemäß den Führungsgrundsätzen der »alten Schule«, die der erfahrene Beamte vorlebte: »Wenn Probleme auf dem Wagen entstehen, müsst ihr zunächst versuchen, diese untereinander zu klären. Rede du mit ihr, und versucht, den Vorfall aus der Welt zu schaffen.«
Pauls Wut richtete sich aber nicht allein gegen Karin, sie war ja selbst Leidtragende und heute Nacht auch Opfer einer einzig nach politischer Vorgabe und Ideologie ausgerichteten Einstellungspraxis geworden. Das Auswahlverfahren für den Polizeidienst, das sich seit Ewigkeiten zuverlässig bewährt hatte, stellte eine zu hohe körperliche Hürde für weibliche Bewerber dar. Also war kurzerhand ein zweiter, abgeschwächter Test ins Leben gerufen worden, allein für Frauen. Ob dies der richtige Weg war?
Und das in einer Zeit von zunehmender Alltagsaggressivität und ansteigender Brutalität gegenüber Polizisten, in der bereits ein tödlich verlaufener Polizeieinsatz im August 2011 in London ausreicht, um ein halbes Dutzend Großstädte in England mit bürgerkriegsähnlichen Szenarien zu überziehen und fünf Todesopfer hervorzurufen.
Was Innenminister und Polizeipräsidenten vehement verleugnen, bestätigte erstmalig erstaunlich offen der Chef der Gewerkschaft der Polizei. Er beschrieb die bitteren Realitäten und unbequemen Wahrheiten in Deutschland im Rahmen eines Interviews mit dem Onlineportal der WAZ Mediengruppe DerWesten. Er berichtete von Problemvierteln, in denen sich Polizeibeamte fürchteten. Von Einsätzen an Orten, an denen ein Streifenwagen nicht ausreiche, sondern schon beim ersten Mal mit einem Mannschaftswagen angefahren werden müsse, und von Einsatzleitern, die sich bewusst dagegen entschieden, Polizistinnen in bestimmten Milieus von Migranten einzusetzen, weil Frauen dort als Autorität nicht ernst genommen würden.
Paul und einige Kollegen hatten schon oft in vertrauter Runde über dieses Thema diskutiert. Ein ehrlicher, offener Dialog über diesen Komplex fand innerhalb der Polizei aber nicht statt. Im Gegenteil, er wurde verhindert und unterdrückt. Ausgemachte Wortführer wurden zu Vier-Augen-Gesprächen in Vorgesetztenbüros zitiert und mit Versetzung, schlechter Beurteilung und der Einschaltung der Gleichstellungsbeauftragten bedroht. Kritik war unerwünscht und wurde nicht geduldet.
Doch auch die schon zwanghafte Geschlechtergleichmacherei zahlreicher Politikerinnen und Politiker änderte nichts an der Tatsache, dass Frauen nun mal keine Männer waren. Diese » politisch gewollte « – Pauls persönliches Unwort des Jahres – vollkommene Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Polizei wurde in dieser Nacht wieder einmal von der Realität eingeholt und widerlegt. Doch nicht die Politiker und Redner im Bundestag mussten die Folgen ihrer politischen Vorgaben ausbaden, sondern der Polizist im Einsatz, der Polizist auf der Straße. Frauen wie Männer.
Bei jeder Art von körperlicher Anstrengung wird zwischen den Geschlechtern unterschieden. Profi-Fußballerinnen spielen nicht in der Männer-Bundesliga, und selbst der ehrenhafte olympische Gedanke des friedlichen Wettstreites der Völker würde ohne getrennte Wettkämpfe nicht funktionieren. Man würde auch nicht auf die Idee kommen,
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