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Inside Polizei

Inside Polizei

Titel: Inside Polizei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Konsequenzen und Auswirkungen. Blieb es in einem Abschnitt ruhig? Lag der persönliche Einsatzort nah genug an der Kaserne, um warmes Essen fassen und eine ordentliche Toilette benutzen zu können? Wurden die Verbindungsstraßen blockiert? War man dadurch abgeschnitten von Verstärkung, Essen und warmen Getränken? Hielten sich in dem jeweiligen Abschnitt gewalttätige Autonome oder nur harmlose Öko-Demonstranten auf? Dies alles war entscheidend dafür, wie für jeden Beamten die nächsten Tage verlaufen würden, lag aber außerhalb seines eigenen Einflussbereichs. Wie anstrengend, wie kräftezehrend dieser 12. Castor-Transport für jeden ganz persönlich verlaufen würde oder ob im schlimmsten Fall womöglich eine Verletzung durch Gewalttätigkeiten drohte, dies alles lag außerhalb der Planung eines Polizisten, sondern würde sich erst spontan und plötzlich im Einsatzverlauf herauskristallisieren. Fast ohne die Möglichkeit für den Einzelnen, dies individuell zu steuern, denn Befehl blieb Befehl.
    Die Halbgruppe um Marius nahm pünktlich um 0700 ihren zugeteilten Posten ein, der Streckenschutz hatte begonnen. Training, Planungen und Übungen waren nun endgültig vorbei. Der Zug mit dem Atommüll sollte schon heute das französische La Hague verlassen und sich den Weg zu ihnen und durch ihren Einsatzabschnitt bahnen.
    Dass laut Greenpeace bei diesem Transport durch den langen Einsatz der Brennstäbe die Konzentration der radioaktiven Strahlung extrem hoch war, löste auch bei den Einsatzkräften keine Jubelsprünge aus, änderte aber nichts an ihrer Order: Streckenschutz, um die Bahngleise zu bewachen, um ein Schottern oder Blockieren zu vermeiden oder ein Zerstören von Signal- und Gleisanlagen zu unterbinden. Die Zufahrtsstraßen und Brücken wurden besetzt und für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Ganze Waldgebiete wurden abgeriegelt und mit Polizeiposten gesichert.
    Streckenschutz konnte unterschiedlich durchgeführt werden und richtete sich nach den Gegebenheiten vor Ort. Eine Einheit, die Glück hatte und einen ruhigen Abschnitt zugeteilt bekommen hatte, konnte den Sicherungsauftrag einigermaßen bequem aus dem Gruppenwagen heraus ausführen. Sie konnte den Luxus einer Standheizung genießen, von Musik und Nachrichten aus dem Radio und einer Handyverbindung nach Hause zu Frau und Familie. Mussten Brücken oder Wege zu Fuß besetzt werden, blieb immer noch die Möglichkeit, die eingesetzten Polizisten durchwechseln zu lassen. Die Betroffenen konnten sich dann nacheinander im Einsatzfahrzeug aufwärmen oder abwechselnd in die Kaserne fahren, um etwas Warmes zu essen und einen Toilettengang außerhalb der Stoßzeiten durchzuführen.
    Andere Einheiten traf es da bedeutend schlechter, besonders die, die direkt an den Gleisen eingesetzt waren, die tief im Wendland und in Waldgebieten lagen. Je näher sich deren Einsatzabschnitte (EA) an der Umladestation Dannenberg befanden, desto umkämpfter waren diese Abschnitte. Durch Blockaden und aufgetürmte Sperren schnitten die Demonstranten sie vom Nachschub ab. Für diese Beamten standen auch keine Wagen zum Aufwärmen bereit, niemand brachte ihnen regelmäßig, wie bei Marius’ Einheit, warme Getränke und Verpflegung vorbei, und auch eine Fahrt zu einer ordentlichen Toilette war unmöglich. Und dies zwölf, 15 Stunden und länger, Tag und Nacht, bei eisiger Kälte.
    Zu den Strapazen und Entbehrungen gesellte sich dann noch etwas, das die eigene Stimmung auch nicht gerade verbesserte, die Langeweile. Denn es war nicht besonders spannend und abwechslungsreich, zehn Stunden allein auf einer verlassenen Brücke zu stehen und auf einen Zug zu warten, der in ein oder zwei Tagen kommen sollte und den Abschnitt in wenigen Minuten durchfahren würde. Auch zwölf Stunden abseits allein im Wald Posten zu beziehen und in die Landschaft zu starren, war nicht wirklich unterhaltsam– Streckenschutz halt.
    Genau dies erwartete heute auch Marius und seine Halbgruppe – vier Mann. Sie erreichten ihren Einsatzraum und bewachten ein Gebiet von 300 bis 400 Meter Länge und 50 Meter Breite. In ihrem Bereich befanden sich zwei Kreuzungen und etwas Waldgebiet. Links und rechts von ihnen bezogen weitere Einheiten in Sichtweite Position, und sie einte alle das gleiche monotone Dilemma – es gab nichts zu tun. Weit und breit kein Demonstrant, kein aufgebrachter Öko-Aktivist, nicht mal ein nach medialer Inszenierung eifernder Grünen-Politiker kreuzte ihren Weg. Pure Eintönigkeit

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