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Inside Polizei

Inside Polizei

Titel: Inside Polizei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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bekommen würden. Das Frühstücksbüfett war lecker, reichhaltig und ließ keine Wünsche offen. Nur eines konnte das aufmerksame Servicepersonal leider nicht verhindern, die langen Warteschlangen vor dem Essenssaal.
    Von der Einsatzführung wurden zwar Essenszeiten für die unterschiedlichsten Einheiten vorgegeben, um das erwartete Chaos zu vermeiden, dies misslang aber wie fast immer. Hunger ließ Polizisten alle Vorschriften vergessen, und außerdem überschnitten sich Einsatzzeiten bei Einsätzen dieser Größenordnung. Für fast alle der 3000 Polizisten in diesem Containerdorf startete der Gorleben-Einsatz in den frühen Morgenstunden. Daher wurden bereits vor Wochen sorgfältig ausgetüftelte Essenspläne obsolet, und es hieß wieder Schlange stehen, Planung hin oder her. Dies bedeutete aber, dass alle Kräfte wegen der unumgänglichen Schlange eine halbe Stunde eher aufstehen mussten, um auch sicher frühstücken zu können. Aber das Warten lohnte sich: Rührei, Wurst, Käse, Lachs, Joghurt, Müsli, Brot, Brötchen, Kaffee und Orangensaft, das Essen war top. Marius und seine Kollegen waren sich sicher, dass dies das beste Einsatzessen war, das sie in ihrer fast zwanzigjährigen Laufbahn je verzehrt hatten.
    Nach dem Frühstück ging es dann daran, den Einsatzverpflegungsbeutel für den Tag – und schlimmstenfalls auch die Nacht – zu packen. Auch hierfür gab es ein reichhaltiges Angebot, und jeder konnte sich an verschiedenen Stationen das Gewünschte einpacken. Zuerst einmal konnte man sich das gute alte Butterbrot schmieren oder aus dem vielfältigen Angebot an Aufschnitt einen Brotbelag auswählen. Dazu Obst und unterschiedliche Sorten Fleisch, die man mittags mit einem Brötchen aß, und zum Nachtisch lagen Süßigkeiten bereit, besonders Schokolade, die Nahrung für die Seele, der Ruhigmacher und ein vielfach bewährtes Antistressmittel für Einsatzkräfte.
    Bevor es endgültig an die Front ging, wartete eine weitere Schlange auf die Männer und Frauen, die unbeliebteste Schlange, die Kack-Schlange. Marius hatte sich schon lange daran gewöhnt, sein großes Geschäft nicht zu verrichten, wenn sich die unteren Körperregionen meldeten, sondern dann, wenn sich die Gelegenheit bot, eine ordentliche Toilette zu besuchen. Auch wenn dies bedeutete, morgens um fünf so lange seinen Darm anzuspannen und zu malträtieren, bis er sich endlich entleerte. Der große Toilettengang wurde präventiv ausgeführt, denn niemand vermochte vorauszusehen, ob die Polizisten heute überhaupt noch einmal Gelegenheit bekämen, eine Toilette zu besuchen. Ein Toilettenbesuch erst nach Aufforderung des Darmtraktes war ein Luxus, der in Einsätzen mit 15- bis 20-Stunden-Schichten einfach nicht drinlag.
    Die Toilettencontainer bestanden aus vier Klos, vier Pissoirs und einem kleinen Waschbecken und waren von Neonlicht beleuchtet. Der Boden war aufgrund der vielen Besucher und ihrer schmutzigen Stiefel feucht und dreckig, und es war kalt und ungemütlich. Natürlich konnte diese WC-Blechbüchse nicht mit home sweet home konkurrieren, aber es herrschten auch keine Zustände wie in einem Flüchtlingslager auf Haiti, es war relativ sauber, es war okay.
    Deutlich erleichtert, starteten Marius und seine Kollegen dann endlich in Gorleben 21.
    Der Vorbefehl ließ sie bereits erahnen, was in den nächsten Tagen auf sie zukommen würde. Zuerst musste die 54 Kilometer lange Schienenstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg geschützt und frei gehalten werden. Dort wurden die Castor-Behälter dann auf Transport-Lkws umgeladen und über 19 Kilometer Straße zum Zwischenlager Gorleben transportiert, dem in der Vergangenheit am erbittertsten umkämpften Abschnitt. Sollte dieses anscheinend unumgängliche Ritual etwa auch dieses Jahr wiederkehren?
    Beinahe das gesamte östliche Niedersachsen wurde in Einsatzabschnitte und Einsatzräume gegliedert. Diesen Einsatzabschnitten waren je nach erwartetem Einsatzaufkommen Hunderte oder Tausende Polizeibeamte zugeteilt. Die Zuteilung berücksichtigte die landsmännischen Ursprünge der Polizeikräfte, daher entstanden so Abschnitte, in denen nur Kräfte aus Thüringen, Niedersachsen oder NRW operierten. Die Einsatzführung erhoffte dadurch eine reibungslosere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Kräfte und wollte ein Sprach- oder Kommunikationsproblem erst gar nicht aufkommen lassen.
    Diese nicht beeinflussbare Einteilung in die jeweiligen Abschnitte hatte für jeden Beamten ganz persönliche

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