Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
dieser eine kleine Satz, der alles aufklärte: »Der Verkäufer ist berechtigt, die Ernte noch einmal einzubringen, bevor das Grundstück an seinen neuen Besitzer übergeht.« Ein Plattschuss. Die unbedeutende Blumenwiese gehörte also doch zur landwirtschaftlichen Nutzfläche! Und weil man unter keinen Umständen auf die letzte Ernte dieses Ackers verzichten wollte, kam dieser unscheinbare Passus in den Kaufvertrag. Dieser kleine, vordergründige Profit brach einigen Bauern am Ende steuerlich das Genick. Von den 700 000 Mark, die in unserem Fall der Grundstücksverkauf einbrachte, durfte der Bauer nun circa die Hälfte an den Staat abführen. Mit den rund 350 000 Mark, die ihn dieser eine Satz gekostet hat, hätte der Landwirt für den Rest seines Daseins vergoldeten Hafer kaufen können!
Brüder und Schwestern
Auch als ehemaliger Steuerfahnder und pensionierter Finanzbeamter muss man eingestehen, dass das deutsche Steuerrecht mit seinen rund 200 Gesetzen und annähernd 100 000 Verordnungen merkwürdige Formen angenommen hat. Moderne Mythen besagen, etwa 70 Prozent der weltweiten Steuerliteratur würde in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Das ist eine Übertreibung, die gar nicht notwendig ist, in Wirklichkeit sind es wohl »nur« 20 Prozent – aber auch diese Zahl sollte nachdenklich stimmen. Ein Grund hierfür dürfte in der Parteienlandschaft unseres Landes zu suchen sein, schließlich wurde und wird das Thema Steuern seit Jahrzehnten in zunehmendem Maße zum Politikum gemacht – was nicht zuletzt die reduzierten Mehrwertsteuersätze im Hotelbereich zeigen, die nach tüchtiger und erfolgreicher Lobbyarbeit schließlich von der FDP durchgesetzt wurden.
Um diesen Berg von Gesetzen und Verordnungen bearbeiten zu können, bräuchte es in Deutschland nach Schätzungen der Steuergewerkschaft 130 000 Beamte – 115 000 Stellen sind nur besetzt. In der Bundesrepublik arbeiten knapp 14 000 Betriebsprüfer und etwa 2600 Fahnder. Ihnen steht ein Heer von knapp 86 000 Steuerberatern gegenüber, die in einem ewig währenden Katz-und-Maus-Spiel versuchen, für ihre Klienten steuergünstige Wege aus dem Abgabendschungel zu finden.
Besonders deutlich lässt sich die deutsche Verordnungswut am Beispiel der Mehrwertsteuer darstellen. Eine Currywurst zum Mitnehmen erhält einen Aufschlag von 7 Prozent – wird sie vor Ort in der Imbissstube verzehrt, werden 19 Prozent Mehrwertsteuer veranschlagt. Tomatensaft wird mit 7 Prozent besteuert, Tomaten-Ketchup indes mit 19 Prozent. Bei einer Kartoffel fallen 7 Prozent an, während die Süßkartoffel mit 19 Prozent zu Buche schlägt. Verstehen muss man dies nicht immer, aber man kann sich in etwa vorstellen, vor welchen buchhalterischen Problemen etwa ein Kioskbetreiber steht, der in seiner Registrierkasse exakt festhalten soll, ob das Lyonerbrötchen im Laden, vor dem Laden oder erst im Auto angebissen wird. Macht er hierbei eine falsche Eingabe, betrügt er bei der Mehrwertsteuer.
Im Laufe der Jahrzehnte wurden in Deutschland unzählige Regelungen, Gesetze und Verordnungen geschaffen, die zum Teil nicht nur bizarr anmuten, sondern immer wieder auch besonders schlaue Bürger zu kleineren und größeren Mauscheleien ermutigen. Eine besonders kuriose Form des Steuerbetrugs begegnete uns in den 80er-Jahren:
Ab dem Jahr 1978 bis zur Wende wurden jährlich im Schnitt rund 26 Millionen Pakete von der Bundesrepublik in die ehemalige DDR geschickt. »Westpakete« hießen die Postsendungen, die den Freunden oder Verwandten im Osten der Republik ein wenig Weltläufigkeit bescheren sollten – besonders in Gestalt von Kaffee, Kakao, Hülsenfrüchten, Mehl oder Schokolade. Diese Päckchen bereiteten nicht nur den Empfängern Freude, sondern waren auch von der DDR-Führung im Grunde fest im Versorgungsplan des sozialistischen Staates eingeplant. Aufseiten der Bundesrepublik wurde zu jener Zeit mit steuerlichen Anreizen für diesen innerdeutschen Postverkehr geworben: Mit jedem in die DDR verschickten Versorgungspäckchen konnte man 20 Mark von der Steuer absetzen – als Unterstützung bedürftiger Angehöriger. Das Stichwort für ein paar findige Betrüger.
Eine besonders perfide Variante des Steuerbetrugs mit den Westpaketen leistete sich ein hoher Beamter aus dem Großraum Frankfurt. Dieser Staatsdiener hatte pro Jahr rund 1000 Päckchen zu den Brüdern und Schwestern in der DDR geschickt und die Quittungen an seine Kollegen verkauft – wie Steuerspargutscheine. Mit der Zeit
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