Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Gunsten aus. Dabei hantierte sie mit einfachsten Zahlendrehern. Aus 194 000 wurde 149 000 oder aus 163 000 die etwas kleinere Summe 136 000. Die Zusammenstellungen übergab sie ihrem Steuerberater, der füllte die notwendigen Unterlagen aus, schickte das ganze Paket zum Finanzamt. Dort wurden allenfalls die vom Steuerberater respektive der Frau angegebenen Summen noch einmal nachgerechnet – diese Zahlen stimmten – und fertig war die Steuererklärung.
Aufgedeckt werden konnte der Schwindel letztlich nur durch einen Betriebsprüfer, der sämtliche Papiere einer Kontrolle unterzog, selbst die Mieteinnahmen addierte und herausfand, dass Jahr für Jahr immer wieder Rechenfehler zwischen 20 000 und 50 000 Mark in den Steuerunterlagen auftauchten. Auch diese Form des Betrugs rechnete sich über einen längeren Zeitraum zu einer veritablen Steuerhinterziehung im sechsstelligen Bereich zusammen, problematisch war in diesem Fall jedoch die strafrechtliche Verfolgung. Denn die ganze Sache entwickelte sich zu einem ernst zu nehmenden juristischen Problem. Konnte man hier tatsächlich Steuerhinterziehung nachweisen? Handelte die Dame vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich? Oder war sie am Ende einfach nur zu »blöd«, um ein paar Zahlenkolonnen zu addieren?
So reagierte die Arztgattin auch, als sie mit den Vorwürfen konfrontiert wurde: »Oh, tatsächlich, Sie haben recht, das tut mir jetzt aber leid!«
In solchen Fällen bleibt es – sofern die Sache auffliegt – tatsächlich bei einer simplen Nachzahlung. Die Steuererklärungen werden korrigiert und dann ist die Geschichte erledigt. Und – aus meiner Erfahrung – muss ich leider sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas herauskommt, ist äußerst gering. Und wenn doch, sind die Konsequenzen einigermaßen überschaubar.
Deutsche Nummernkonten
Dem vielleicht perfektesten Steuerbetrug indes sind wir gar nicht selbst auf die Schliche gekommen – er wurde uns vielmehr durch eine Selbstanzeige gewissermaßen geschenkt.
Alles begann – wie so häufig – mit einem Zufall. Zwei unserer Bonner Fahndungskollegen waren im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Parteispendenaffäre in einer kleinen Bank in einem bayerischen Städtchen nahe der hessischen Landesgrenze und wollten ein paar Auskünfte von dem dortigen Bankdirektor. Dieser suchte irgendwann nach einem Ordner in seinem Büro, um die Fragen der beiden Steuerfahnder richtig beantworten zu können. Einer der Fahnder ging mit dem Bankchef mit in dessen Büro und als sich dieser über den fraglichen Ordner beugte, um etwas darin nachzuschauen, konnte der Fahnder Einblick in die Unterlagen nehmen und entschied, in diesem Fall doch besser gleich den kompletten Ordner sicherzustellen. Der Bankdirektor wurde von einem Moment auf den anderen bleich im Gesicht, versuchte noch, sich gegen die Aufforderung, den Ordner herauszugeben, aufzulehnen – auch, weil er wohl ahnte, dass seine eigene Karriere mit der Herausgabe dieser Papiere längerfristig gefährdet war. Aber eine Beschlagnahme war in solchen Situationen durchaus üblich und wurde in diesem Fall auch durch den zuständigen Richter nachträglich genehmigt.
Zum Erstaunen der beiden Bonner Kollegen stellte sich heraus, dass das kleine bayerische Kreditinstitut verbotenerweise Nummernkonten führte. Die ganze Sache spielte sich noch vor der Einführung der Kapitalertragssteuer im Jahr 1993 ab, aber Nummernkonten kannte man bis dahin nur aus der Schweiz, in Deutschland war die Führung von Nummernkonten verboten. In dem besagten Ordner, den der Bankdirektor in seinem Bürosafe liegen hatte, fand sich der Schlüssel zu den unzähligen Nummernkonten dieser kleinen Bank. Ein kurzer Blick in die Listen ließ erkennen, dass eine Vielzahl vermögender Unternehmer – auch und vor allem aus dem Raum Frankfurt am Main – ihre illegalen Schwarzgeldkonten in Bayern liegen hatte.
Da die beiden Bonner Ermittler ursprünglich wegen einer anderen Sache in dieses Geldinstitut gefahren waren, dauerte es gut drei Wochen, bis auch die Steuerfahndungsstelle in Frankfurt von den ominösen Nummernkonten in Bayern erfahren hatte. Auf einigen DIN-A4-Blättern hatten wir eine ganze Reihe Frankfurter Unternehmer, Ärzte und anderweitig Vermögende aufgelistet, denen wir nach und nach auf die Spur kommen wollten. Denn eines war von vornherein klar: Wer sein Geld auf einem Nummernkonto parkte, hatte in der Regel etwas zu verbergen. Nummernkonten waren meistens auch Schwarzgeldkonten – und
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