Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
und wenden uns an Sie, weil wir begründeten Anlass zu der Sorge haben, dass die Steuerfahndung Frankfurt am Main ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann, weil Steuerhinterzieher nicht in dem gebotenen Maße verfolgt werden können.«
Der Personalrat trat nun auch auf den Plan. In einem öffentlichen Brief – »stellvertretend für alle Beschäftigten des Hauses« – an den Vorsteher des Finanzamtes Frankfurt am Main V vom 26. Mai 2003 steht zu lesen:
»... In unseren Arbeitsbereichen BuStra [Bußgeld- und Strafsachenstelle], Steufa und GBp [Großbetriebsprüfung] haben wir einen besonderen Dienstauftrag zu erfüllen und müssen tagtäglich – mehr als in jedem anderen Finanzamt – fachlich qualifiziert, eigenverantwortlich und auf uns gestellt Entscheidungen mit meist erheblicher Auswirkung treffen. Dabei sehen wir uns überwiegend einer hochkarätig besetzten ›Gegenseite‹ gegenüber. ...
Wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. Dazu gehört, dass wir als verantwortungsbewusste erwachsene Menschen anerkannt werden und dass man uns den Freiraum lässt, in Eigeninitiative unserer Tätigkeit nachzugehen. Außerdem brauchen wir Vorgesetzte, die sich mit uns, unserer Arbeit und auch unserem Amt identifizieren. ...
Die Ereignisse in jüngster Vergangenheit haben uns das Gefühl gegeben, dass in unserem Amt nicht immer danach gehandelt wurde. Übertriebene Kontrollmaßnahmen, welche in den verschiedensten Bereichen veranlasst wurden, zeugen von gesteigertem Misstrauen uns gegenüber und erschweren die tägliche Arbeit erheblich – und wie wir meinen, auch unnötig. Umfangreiche Verfügungen, die allgemein regeln, was allein Einzelfälle betrifft, stoßen ebenfalls auf großes Unverständnis und werden von uns als eher kontraproduktiv empfunden.
Dies alles trägt dazu bei, dass die Stimmung in unserem Amt bedrückend schlecht ist. ...«
Ein Brief, der einem deutschen Beamten in der Seele wehtun musste – zumal, wenn er eine Behörde zu leiten hatte. »Wir brauchen Vorgesetzte, die sich mit uns, unserer Arbeit und auch unserem Amt identifizieren.«
Ende Juni 2003 lag das Schreiben an Ministerpräsident Roland Koch zur Unterschrift im Finanzamt Frankfurt V bereit, und innerhalb kürzester Zeit hatten schon 48 Mitarbeiter der Behörde das Schreiben unterzeichnet. Wir waren anfänglich überrascht, wie unproblematisch die Unterschriftenaktion angelaufen war, schließlich war es nicht als selbstverständlich anzusehen, dass deutsche Beamten geschlossen und vor allem entschlossen gegen ihre Führung aufbegehrten. In Frankfurt schien sich etwas anzubahnen, was in dem Ausmaß und in der Tragweite im bundesrepublikanischen Beamtentum noch nicht häufig vorgekommen war. Bis die Aktion plötzlich ins Stocken geriet.
Ein komplettes Sachgebiet verweigerte plötzlich die Unterschrift. Das hieß, die Amtsleitung musste von dem Brandbrief an Roland Koch erfahren haben – und selbstverständlich dagegen vorgehen. Das war bitter, auch wenn uns vorher natürlich klar war, dass die Sache in einer Behörde nicht unentdeckt bleiben konnte. Wenn 70 Menschen an einer Aktion wie dieser beteiligt sind, konnte man davon ausgehen, dass nicht jeder Beteiligte seine Verschwiegenheit bewahrte.
Es war schon merkwürdig, dass die ersten 48 Unterschriften gleichsam im Vorbeigehen gesammelt werden konnten, bis es plötzlich stagnierte. Wie die Amtsführung letztlich Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt hatte, konnte nie vollständig geklärt werden, aber mit einem Mal sahen wir uns den unterschiedlichsten Gegenargumenten ausgesetzt: Man müsse doch auf die Kinder Rücksicht nehmen, das neu gebaute Haus sei längst noch nicht abbezahlt, und – was neu war – die ersten Mitarbeiter waren mit einem Mal mit einzelnen Passagen dieses Schreibens nicht mehr einverstanden.
Nun geschah, was in der Vergangenheit wohl schon vielen Demokraten die Luft zum Atmen geraubt haben mag: Die Solidarität, die noch im April die Steuerfahndung Frankfurt stark gemacht hatte, begann, erste Risse zu bekommen. Nachdem die ersten Fahnder ihre Unterschrift auf dem Brief an Roland Koch verweigert hatten, kamen plötzlich gestandene Steuerfahnder und teilten mit, dass sie ihren Namen wieder zurückziehen wollten. »Wenn die nicht unterschreiben, will ich das auch nicht mehr«, hieß es dann, und den Initiatoren dieses Aufbegehrens ging so plötzlich die anfängliche Substanz abhanden. Innerhalb kürzester Zeit
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