Inside WikiLeaks
nie unbewacht allein zu Hause zu lassen.
Danach begleitete ich sie in den »Club der Visionäre«. Wir setzten uns auf den Steg am Flutgraben, hörten elektronische Musik und guckten aufs Wasser. Später kamen noch andere Blogger und Netzaktivisten dazu. Franziska brannte wirklich für das Thema, mindestens so sehr wie ich.
Ich weiß nicht, ob ihr der Rummel um ihre Person gefallen hat. Sie absolvierte all das neben ihrem normalen Vollzeitjob als Projektmanagerin bei einem Telekommunikationsunternehmen, das war sicher anstrengend. Aus meiner Sicht war sie die richtige Besetzung für diese Rolle, weil sie vorher noch nicht mit Netzaktivitäten von sich reden gemacht hatte und keine eigene politische Agenda verfolgte oder Ambitionen hegte, das Thema für die eigene Karriere zu missbrauchen. Und da sie sich selbst in vielen technischen Fragen nicht bis ins Letzte auskannte, bat sie mich, sie zu Pressegesprächen zu begleiten. Ich half gerne, nicht nur als Stichwortgeber und wandelndes technisches Nachschlagewerk, sondern auch, weil ich dadurch Kontakt bekam zu den politischen Entscheidern.
2009 klebten Franziska und ich auch gemeinsam Plakate für die große Anti-Überwachungs-Demo »Freiheit statt Angst« in Berlin und trafen uns auf der HAR , der großen Hackerkonferenz in den Niederlanden, wieder. Mittlerweile ist der Kontakt ein wenig eingeschlafen. Sie war, glaube ich, ganz froh, sich irgendwann wieder intensiver ihrem Beruf und vor allem ihrem Privatleben widmen zu können. Es gab damals schon viele Leute, die sich mit Zensurfragen beschäftigten. Und es war erstaunlich schwierig, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen. Da sie das Thema schon viel früher entdeckt hatten, führten sie sich mitunter auf, als hätten sie es gepachtet. Es ging in den Gesprächen dann häufig nicht mehr um die Sache, sondern nur darum, wessen Name auf welchen Papieren stünde.
Franziska war damals eingeladen zu einem Streitgespräch mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen. Moderiert werden sollte es von dem Zeit-Online- Journalisten Kai Biermann und dem Zeit -Redakteur Heinrich Wefing. Franziska bat mich, sie zu begleiten. Obwohl die Journalisten einverstanden waren, dass ich mitkam, bestanden sie darauf, dass alle meine Antworten Franziska zugeschlagen würden.
Ich schien den beiden Interviewern ein wenig lästig zu sein. Mir hatte man zwar auch einen Stuhl und Kaffee angeboten, aber wenn Franziska etwas sagte, nickten ihr die beiden Männer freundlich zu. Sie wollten wissen, wie Franziska denn darauf gekommen sei, eine solche Petition aufzulegen. Sobald ich ein technisches Detail erklären wollte, hieß es meist: »Zu viel Detail, zu viel Technik.«
Ich fragte mich, wie man die ganze Sache überhaupt verstehen konnte, wenn man nicht bereit war, sich mit den technischen Details zu befassen. Aber den Journalisten ging es mehr um die persönliche Geschichte von Franziska.
Normalerweise interessiert mich das Autorisieren von Zitaten nicht. Wefing gegenüber erwähnte ich, dass ich das für ein Krebsgeschwür des deutschen Journalismus hielte, eine Aussage, für die mich andere Journalisten am liebsten spontan geherzt hätten. Wefing allerdings erklärte mir, dass es sich im Gegenteil um eine deutsche Tugend handele und niemand den Journalisten Interviews gäbe, wenn man es nicht so handhabte.
Im Nachhinein haben wir mit unserer anstandslosen Freigabe des Interviews bei der Zeit tatsächlich einen Fehler gemacht. Denn während wir einen ausgewogenen Eindruck von der uns vorgelegten Abschrift hatten, schickte man den gleichen Text erst danach an die Gegenseite. Und der Pressesprecher von Ursula von der Leyen hielt sich mit Nachbesserungen weniger zurück. Das Endergebnis, das wir dann in der Zeitung abgedruckt fanden, verzerrte die Debatte zu unseren Ungunsten, was uns sehr geärgert hat.
Es gab dann noch einen zweiten Termin mit der Ministerin. Das Büro von Ursula von der Leyen ist in einem grauen Betonklotz am Alexanderplatz. Das Besprechungszimmer im obersten Stock war etwa halb so groß wie ein Klassenzimmer, in der Mitte stand eine Tischgruppe mit Stühlen rundherum. Dort warteten außer der Ministerin noch ein paar weitere Personen auf uns: Annette Niederfranke, die Ministerialdirektorin und Leiterin der »Abteilung 6: Kinder und Jugendhilfe« mit einer ihrer Mitarbeiterinnen sowie dem Pressesprecher Jens Flosdorff, den wir schon vom Zeit -Interview kannten. Und dann war da noch eine weitere Person. Mit ihrem
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